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Kaum gedruckt, schon Müll. Die neue Bonpflicht sei umweltschädlich und teuer, klagen Händler. Einige haben den Papierkorb gleich neben die Kasse gestellt.

© imago

Neue Bonpflicht für kleine Geschäfte: Berliner Händler rechnen mit Problemen

Kleine Händler reagieren verärgert auf das neue Kassengesetz, das sie verpflichtet, einen Beleg zu erstellen. Wer die Umwelt schonen und Ausdrucke vermeiden will, hat Probleme.

Von Fatina Keilani

Tom Hartwich ist Bio-Bäcker, achtet darauf, regionale Zutaten zu verwenden und versucht Papiertüten einzusparen. Nun soll er für jeden Verkauf selbst eines einzelnen Brötchens einen Kassenzettel ausdrucken. Er finde das „ziemlich beschissen“, sagt der Chef der Friedrichshainer Vollkornbäckerei frei heraus. Das verbrauche nur unnötig Papier. So ist es jedoch seit Jahresbeginn vorgeschrieben.

Allerdings: nicht ganz. Die Bonpflicht wurde zwar eingeführt, ist jedoch „technologie-neutral“, wie es auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums heißt. Das bedeutet, der Papierzettel ist nicht nötig – eine Mail oder eine andere elektronische Erteilung des Bons tut es auch.

Der Besitzer eines Smoothie-Ladens aus der Nachbarschaft hat deshalb versucht, eine elektronische Alternative zu finden, etwa eine App zur Belegerteilung, jedoch erfolglos.

Der Mann bemüht sich, plastikfrei zu wirtschaften und verkauft seine Mixturen nur in Bechern aus Maisstärke. Dass er verpflichtet wird, Kunden einen Kassenzettel auszuhändigen, hält er für „einen Widerspruch in sich“. Eine technische Möglichkeit, den Bon automatisiert per Mail zuzusenden, hat er aber noch nicht gefunden.

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Die Neuerung, die so viel Unmut auslöst, kommt allerdings nicht überraschend. Das Kassengesetz, das seit Neujahr die Ausstellung eines Kassenbelegs für jeden noch so kleinen Kauf vorschreibt, ist schon 2016 beschlossen worden. Sein richtiger Name ist „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“, es ist Teil der Abgabenordnung, genauer deren Paragraph 146a, also lupenreines Steuerrecht.

Dementsprechend fällt die Kontrolle in die Zuständigkeit der Finanzämter. Sind sie darauf eingestellt? „Natürlich!“, sagt Alexis Demos, Sprecher der Finanzverwaltung. „Es gab ja genügend Zeit, sich auf den 1. Januar 2020 einzustellen.“ Die Finanzämter seien personell und organisatorisch in der Lage, die entsprechenden Kontrollen durchzuführen, etwa die erstellten Bons mit den Kassendaten zu vergleichen.

Eine „Erschwernis des Steuerbetrugs“

Außenprüfungen fänden auch jetzt schon statt, man sehe das bei den Finanzämtern relativ entspannt. „Wir finden die Bonpflicht gut, sie ist eine weitere Erschwernis des Steuerbetrugs“, sagt Eva Henkel, Sprecherin der Finanzverwaltung.

Wie ihre Einhaltung aber kontrolliert werden soll, ist unklar. Günter Päts, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, sieht in der Bonpflicht vor allem „riesigen bürokratischen Aufwand“ besonders für kleinere Händler, die Waren von geringem Wert verkaufen, etwa Bäcker, Fleischer, Lotto- und Tabakläden.

Frage der Ähre. Tom Hartwich spart Papier und ist gegen den Kassenbeleg.
Frage der Ähre. Tom Hartwich spart Papier und ist gegen den Kassenbeleg.

© Nguyen

Er erwartet einen Effekt weniger durch die Kontrollen der Finanzämter als durch sozialen Druck. Wenn etwa der Stammkunde jeden Tag seine 5,20 Euro für die Schachtel Zigaretten auf den Tisch lege und wie bisher üblich ohne Bon wieder gehe, dann könnten andere anwesende Kunden allein durch ihre Anwesenheit dazu beitragen, dass ein Bon ausgestellt werde – jeder von ihnen könnte ja ein verdeckter Steuerprüfer sein. Wenn das geschähe, wäre das Ziel fast erreicht. „Wir hängen nicht am Bon, sondern daran, dass die Buchung zu Ende geführt wird“, sagt Henkel.

Betrügereien am Kassensystem

Päts berichtet von Betrügereien an Kassensystemen auch bei großen Handelsketten, wo Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch Funktionen wie „Preisabfrage“ bisher in die eigene Tasche wirtschaften konnten. Die Ware wird dann nämlich nicht gebucht. Wird sie bezahlt und kein Bon erteilt, stecken betrügerische Mitarbeiter das Geld auch schon mal in die eigene Tasche. Mit der Bonpflicht ist diese Gefahr ausgeschaltet.

Der Finanzverwaltung ist allerdings bewusst, dass Betrügereien weiterhin möglich sind, indem Buchungen einfach unterlassen werden. Kommt den Steuerprüfern etwas komisch vor – es wurde zum Beispiel Fleisch für 100 Döner verbraucht, aber nur Geld für 40 Döner eingenommen – dann können sie eine sogenannte Hinzuschätzung machen und dem Pflichtigen weitere Steuern auferlegen.

„Die Pflicht sei umweltschädlich“

Jochen Brückmann, Bereichsleiter für Stadtentwicklung der IHK Berlin, erneuerte die von Handelsverbänden seit langem vorgetragene Kritik am Donnerstag. Die Pflicht sei umweltschädlich und verursache erhebliche Kosten für Papier, Druck und Entsorgung. Betroffen seien vor allem kleine Einzelhändler mit täglich vielen Laufkunden. Daher fordert die IHK, die Bonpflicht zumindest für Bagatellumsätze wieder abzuschaffen.

Was viele nicht wissen: Die Bonpflicht gilt nicht für alle. Wer eine offene Kasse hat, der unterliegt ihr nicht, zum Beispiel Betreiber von Marktständen oder Einzelhändler ohne elektronische Registrierkasse. Vollkornbäcker Hartwich könnte also seine Einnahmen in einer Schachtel sammeln und müsste keine Bons erteilen. Eine ordentliche Buchführung mit Kassenbestand und Tageseinnahmen muss er freilich trotzdem haben.

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