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Der Berliner CSD zieht in diesem Sommer am Bundesrat vorbei.

© IMAGO/PIC ONE/Brigitte Dummer

Neue Vorständin des Berliner CSD im Gespräch: „Mir ist wichtig, durch das Regierungsviertel zu ziehen“

Der Berliner CSD will ein Mitmachverein werden und sich zur Abgeordnetenhauswahl 2026 engagieren. Und könnte auch die Route geändert werden? Ein Gespräch mit einer der neuen Vorständinnen.

Stand:

Carolina Philipps, Sie gehören seit kurzem zum Vorstand des Berliner CSD. Was waren die Gründe, sich dort zu engagieren?
Mich hat in den letzten Jahren zunehmend die Frage beschäftigt, wie wir unsere offene, demokratische Gesellschaft aktiv verteidigen können. Der Rechtsruck, die wachsende Verachtung gegenüber Minderheiten und der Rückbau von Freiheitsrechten – all das darf man nicht einfach hinnehmen. Der CSD ist für mich eine der kraftvollsten demokratischen Plattformen, um genau dem etwas entgegenzusetzen. Und ich habe selten ein Team erlebt, das so herzlich, politisch klar und gemeinschaftlich arbeitet. Die Arbeit macht auch einfach Spaß. 

Der CSD will künftig ein „Mitmach-Verein“ werden. Was kann man sich darunter konkret vorstellen, und wie können sich Menschen engagieren, die nicht stundenlange Vereinssitzungen mitmachen wollen?
Uns ist wichtig, dass Beteiligung nicht an Vereinsstrukturen scheitert. Schon jetzt gibt es das Forum, in dem auch Menschen außerhalb des Vereins aktiv mitgestalten können. Das wollen wir deutlich ausbauen – etwa durch thematische Arbeitsgruppen, offene Workshops, zeitlich begrenzte Mitmach-Formate im Pride-Monat oder Netzwerktreffen. Unser Ziel ist, allen, die etwas bewegen wollen, eine passende Form des Engagements zu bieten – ganz gleich, wie viel Zeit sie mitbringen. 

Viele Teilnehmer*innen würden sich über eine andere Demoroute durch belebtere Gegenden freuen. Wie sehen Sie das?
Der Wunsch ist natürlich nachvollziehbar. Gleichzeitig ist der CSD in erster Linie eine politische Demonstration. Es ist mir wichtig, dass wir durch das Regierungsviertel ziehen, am Brandenburger Tor enden und auch den Nollendorfkiez einbeziehen – das sind symbolische Orte für Sichtbarkeit und queere Geschichte. Unsere Route entsteht zudem immer in enger Abstimmung mit der Polizei. Sicherheit für Hunderttausende Teilnehmende hat oberste Priorität. 

Im kommenden Jahr stehen in Berlin Abgeordnetenhauswahlen an. Was plant der CSD dafür?
Berlin ist Heimat von mind. 300.000 queeren Menschen (+ Tourist*innen) – also einer riesigen, lebendigen Community, die diesen Ort seit Jahrzehnten mitgestaltet. Und trotzdem werden unsere Themen in der Landespolitik immer noch zu selten ernsthaft behandelt. Wir planen zur Abgeordnetenhauswahl eine Kampagne, die die Anliegen der queeren Berliner*innen auf die politische Agenda setzt: den Schutz und Erhalt queerer Orte, Sicherheit im öffentlichen Raum, Antidiskriminierung in Bildung und Arbeit sowie die Stärkung queerer Kultur.

Über queere Schutzräume wird auch wegen des Aus für das Schwuz wieder viel gesprochen. Der CSD will ebenfalls Schutzräume bieten. Wie sollen die aussehen?
Ich glaube, das größte Potenzial liegt in Kooperationen. Wir müssen als Community stärker zusammenrücken und Synergien nutzen, statt nebeneinanderher zu arbeiten. Es gibt bereits viele großartige Vereine und Initiativen – wenn wir uns vernetzen, können wir gemeinsam viel erreichen und neue Veranstaltungen und Orte für die Community aufbauen. Schutzräume sind nicht nur physische Orte, sondern auch Strukturen, die Solidarität, Sichtbarkeit und Sicherheit schaffen – ob im Sport, im Betrieb oder im öffentlichen Raum.

Der Berliner CSD war über viele Jahre ziemlich männlich geprägt. Sehen Sie hier noch Aufholbedarf im CSD-Verein?
Ja, unbedingt. Wenn man sich unsere Mitgliederstruktur anschaut, fehlen noch immer viele Stimmen aus der Community. Das ist ein echtes Problem, weil sich Teilhabe dann natürlich schwieriger gestaltet. Auch für mich als bisexuelle FLINTA* Person war das erstmal eine Hürde. Die ist für andere Personen ja noch viel heftiger. Wir müssen aktiver werden, um Barrieren abzubauen.

Und zuletzt: Was war Ihr schönstes CSD-Erlebnis?
Dieses Jahr stand ich zum ersten Mal überhaupt auf einer Bühne – noch ganz neu im Team – und habe in die Menge geblickt. Dieser Moment, all die Menschen zu sehen, die gemeinsam für Akzeptanz, Demokratie und Freiheit auf die Straße gehen, war schon Wahnsinn. Ich war irre stolz auf dieses Team. Es war ein richtig solidarischer Moment, in dem mir bewusst wurde: Wir bewirken wirklich etwas.

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