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Neuer Sozialbericht: Versagt Berlins Senat in sozialen Brennpunkten?

CDU, Grüne und FDP kritisieren die Politik des Senats in den sozial schwächsten Kiezen: Rot-Rot werfe Geld für Spaß-Projekte hinaus und versäume die Anwerbung von Industrie.

Mehr Arbeit, aber nicht weniger Armut in den sozialen Brennpunktgebieten Berlin: Das ist die Botschaft des Sozialberichts 2010 – und für die Opposition Anlass zu fundamentaler Kritik an der Stadtentwicklungspolitik des Senats. Man könne nur allen Bürgern die Lektüre des Sozialberichts ans Herz legen, erklärten CDU-Fraktionschef Frank Henkel und der sozialpolitische Sprecher Gregor Hoffmann zu der am Donnerstag veröffentlichten Studie. Dann könne man „nachvollziehen, wie unwirksam das politische Handeln von Rot-Rot“ tatsächlich sei.

Auch wenn weniger Menschen in den Problemgebieten der Stadt ohne Arbeit sind, wachsen dort mehr Kinder in armen Verhältnissen auf. Zu den sozialen Brennpunktkiezen gehörten Teile Spandaus, Wedding und Moabit, Neukölln-Nord und Großsiedlungen in den östlichen Bezirken, etwa in Marzahn. In diesen Brennpunkten ist der Anteil der Kinder, die in Armut aufwachsen, achtmal höher als in den besten Bezirken der Stadt. Weniger Arbeitslosigkeit, mehr Kinderarmut – die Verfasser der Studie um den Soziologen Hartmut Häussermann stellen fest, dass beide Phänomene sich entkoppelt hätten. Vermutlich sei der Übergang in eine Beschäftigung seltener mit einem so hohen Einkommen verbunden, dass Transferleistungen des Staates nicht mehr nötig seien. Die „räumliche Konzentration von sozialen Problemen“ habe sich „anscheinend verfestigt“, fassen Häussermann und seine Kollegen zusammen.

Der CDU-Spitzenkandidat Henkel nimmt das als Beweis für das Versagen des Senats nicht allein in der Wirtschafts-, sondern auch in der Bildungspolitik. Die Hälfte der Langzeitarbeitslosen habe gar keine Berufsausbildung, zehn Prozent der Hauptschulabsolventen keinen Schulabschluss – das zeige, dass ein Teil der Berliner Probleme „hausgemacht“ sei. Der Senat müsse seine Sozialpolitik besser abstimmen. Ähnlich sieht es die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig. Es seien „verstärkte Anstrengungen“ in der Bildung, der Jugendarbeit und der Integration notwendig, erklärte die Grünen-Abgeordnete. Auf diesen Politikfeldern müsse „mit klaren und messbaren Zielvorgaben“ gearbeitet werden.

Der FDP-Fraktions- und Landeschef Christoph Meyer geht in seiner Kritik noch erheblich weiter, auch wenn er „keine einfachen Antworten“ auf die Frage nach einer besseren Politik hat. Bildung und Wachstum sind für den FDP-Mann die Schlüsselbegriffe, um den Menschen in den sozialen Brennpunkten zu helfen.

Nichts hält Meyer hingegen vom Quartiersmanagement – der FDP-Politiker führt eine lange Liste von Projekten, die nach seiner Auffassung auf reine Geldverschwendung hinauslaufen. Da förderte das Quartiersmanagement Brunnenstraße 2009 eine „Kampagne gegen Spielsucht“ – Meyer sieht darin den Kampf gegen Symptome der Armut statt gegen die Armut selbst. Da gab es „Kiezkaraoke zu Nikolausi“ für „Kiezrapper“ und eine Veranstaltungsreihe für Operettenfans, Förderung für eine Laufgruppe und für die Herausgabe einer Kiezzeitung – laut Meyer mit 60 000 Euro gefördert. Quartiersmanager organisierten eine Ausstellung über Satellitenschüsseln, eine Christbaumparade oder sie förderten die Installation von Fahrradständern. Die meisten Projekte kosteten nicht viel Geld, zeigen aber – so sieht es Meyer – die Sinnlosigkeit vieler Vorhaben.

Die „beste Sozialpolitik“ sei es, Arbeit zu schaffen. In Berlin fehlten mindestens 100 000 Arbeitsplätze, so der FDP-Politiker, und der Senat habe es zehn Jahre lang verschlafen, sich für Industrieansiedlung einzusetzen. Dass es anders gehe, hätten die Sachsen gezeigt, sagt FDP-Chef Meyer – dort sind nach der Wende ganze Autofabriken neu gebaut worden. Und wenn regierende Berliner Politiker noch immer beklagten, dass die Stadt mit dem Fall der Mauer ihren Status als verlängerte Werkbank der alten Bundesrepublik verloren habe, müsse man sagen: Das ist zwanzig Jahre her. Heute dürfe der Senat wenigstens den Fehler nicht mehr machen, zwischen „guten“ und „schlechten“ Arbeitsplätzen zu unterscheiden.

In manchen Kiezen sei es außerdem sinnvoll, deren „Revitalisierung“ zu unterstützen. So nennen Liberale das, was Linke als „Gentrifizierung“ bezeichnen: den Fluss privaten Geldes in die Sanierung von Häusern dort etwa in Gegenden wie Neukölln-Nord.

Bedenklich findet auch Uwe Doering von der Links-Fraktion die Entwicklung. Die Linke, verspricht er, werde sich stärker um die Mietenproblematik in Berlin kümmern. Denn die steigenden Mieten seien ein Grund für die Armut in Berlin.

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