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Neuer Volksentscheid von „DW enteignen“?: Gesetzentwurf ist eine Warnung vor sozialistischen Experimenten
Berlin ringt mit einem radikalen Vorschlag. Der könnte bald Realität werden – wenn die Politik nicht endlich handelt: Auch mit Regulierung des Wohnungsmarktes.

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Berlin, wir haben ein Problem. Ein Problem mit Wohnungen – es sind zu wenige und oft sind sie zu teuer. Das gilt nicht nur für Berlin, inzwischen gilt das für immer mehr Städte in Deutschland. Berlin steht exemplarisch für sie. Aber auch für das Treiben einiger großer Konzerne, denen das Gewissen kleinerer Vermieter mit wenigen Häusern und deren Blick für die soziale Mischung fehlt.
Daher kann es kaum verwundern, dass knapp 58 Prozent der Wähler 2021 für den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ – kurz „DW enteignen“ gestimmt haben. Umgesetzt hat der Senat den damals von den Wählern erteilten Auftrag bislang nicht. Nämlich einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der eine Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohneinheiten ermöglicht.
Erst hat die SPD noch in der Koalition mit Grünen und Linke gebremst. Und unter Schwarz-Rot ging es gar nicht weiter voran, obwohl eine Expertenkommission Mitte 2023 befunden hat, dass eine Vergesellschaftung durchaus möglich ist.
Auch das Zögern von Schwarz-Rot hat dazu geführt, dass die Initiative „DW enteignen“ nun sogar einen eigenen Gesetzentwurf bis zum Volksentscheid treiben will. Würde solch ein radikales Gesetz am Ende von der Mehrheit der Wähler angenommen, wäre es geltendes Recht. Und Politik und Behörden stünden hilflos da, sie müssten ein außerhalb des Parlaments per Volksgesetzgebung beschlossenes Regelwerk umsetzen.
Soweit muss es nicht kommen. Bis Jahresende will die Koalition ein sogenanntes Vergesellschaftungsrahmengesetz vorlegen. Die SPD-Fraktion hat bereits einen Entwurf vorgelegt, der eine „strukturelle Veränderung der Eigentumsordnung“ vorsieht. Die CDU wird da kaum mitmachen. Sollten sich beide einigen, hätte das aber einen Vorteil: Denn das Rahmengesetz soll zunächst vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden, bevor es tatsächlich ans Vergesellschaften gehen könnte.
Ein Debakel wie beim Mietendeckeln will sich Berlin diesmal ersparen. Zwar berufen sich linke Politiker, auch in der SPD, und Wissenschaftler immer wieder auf Artikel 15 des Grundgesetzes, der die Sozialisierung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln erlaubt. Doch der wurde bislang nie angewandt. Er ist ein sogenanntes Verfassungsfossil.
Hier muss die Politik ran. Sonst droht ein böses Erwachen, wenn die Massen in ihrer Not sich dem sozialistischen Heilsversprechen ergeben.
Alexander Fröhlich, der Autor
Berlin beträte also Neuland damit – und stellte dann die Systemfrage. Was im Vergesellschaftungsmantra, das auf Enteignung hinausläuft, aber gern vergessen wird: In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bislang keine Mehrheiten für einen solchen Systemwechsel von der sozialen Marktwirtschaft zu einem Quasi-Sozialismus mit dem Großkombinat „VEB Wohnen Berlin“.
Es geht um immerhin bis zu 220.000 Wohnungen. Ob es verhältnismäßig ist, großen Unternehmen maximal 3000 Wohnungen zu lassen und alles darüber faktisch zu enteignen, muss sich erst noch erweisen. Und ob es tatsächlich eine semi-staatliche Anstalt besser schafft, einen solch großen Bestand zu verwalten und zu erhalten, darf bezweifelt werden. Dafür muss nicht einmal an die Verfallszustände in der DDR erinnert werden. Und neue, günstige Wohnungen entstehen durch die Sozialismusträume erst recht nicht.
Aber unabhängig davon, wie man zu der Initiative „DW enteignen“ steht: Zugutehalten muss man ihr, dass sie zunächst mit Fachleuten, Wissenschaft und Politik in den Dialog gehen will über ihren Gesetzentwurf. Und dass sie bereit ist, diesen zu überarbeiten. Abstimmen könnten die Berliner darüber bei einem Volksentscheid frühestens in zwei Jahren.
Nun hat Schwarz-Rot nicht nichts gemacht. Es soll schneller gebaut werden können, die Standards sollen gesenkt werden. Hamburg hat gezeigt, dass damit der Wohnungsbau beschleunigt werden kann. Dennoch könnte das Thema Wohnen als die zentrale soziale Frage die Abgeordnetenhauswahl 2026 dominieren.
Zur Wahrheit gehört: Im Kampf gegen steigende Mieten und Abzocke der großen Konzerne hat die Politik auch überdreht. Kleinere Vermieter fühlen sich inzwischen so sehr gegängelt, dass sich für sie das Investieren kaum noch lohnt. Das Kernproblem ist geblieben – große Wohnungskonzerne sind bislang zu wenig reguliert. Und Regulieren bedeutet nicht, dass gleich enteignet werden muss. Der Gesetzentwurf ist ein Warnzeichen. Hier muss die Politik ran. Sonst droht ein böses Erwachen, wenn die Massen in ihrer Not sich dem sozialistischen Heilsversprechen ergeben.
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