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Verdi Kundgebung Berlin

© Jörn Hasselmann

Update

Ultimatum im Tarifstreit im Berliner Nahverkehr: Verdi zwingt die BVG zu weiteren Verhandlungen

Die BVG hatte Verdi aufgefordert, innerhalb von 24 Stunden einer zusätzlichen Verhandlungsrunde zuzustimmen, sonst drohten Streiks. Die Verkehrsbetriebe lenkten schnell ein.

Stand:

Auch das dritte Angebot der BVG reicht den Beschäftigten nicht. Am Montagnachmittag stellte die Gewerkschaft Verdi der BVG ein neues Ultimatum: Der Betrieb solle einem zusätzlichen Verhandlungstermin in den kommenden Tagen zustimmen – oder es würde gestreikt. Viel Zeit zum Überlegen blieb der BVG nicht: 24 Stunden.

„Sollte die BVG ein Terminangebot machen, wird es bis zu diesem Termin keine weiteren Streiks geben“, hatte Verdi am Nachmittag mitgeteilt. Wenn die BVG sich nicht melde oder ablehne, kündigte die Gewerkschaft „weitere Arbeitskampfmaßnahmen“ an.

Die BVG reagierte schnell und kooperativ: Man begrüße den Vorschlag von Verdi, „einen zusätzlichen Verhandlungstermin zu vereinbaren“, hieß es in einer Mitteilung. Das Unternehmen werde mit der Gewerkschaft in die Terminabstimmung gehen. „Verhandeln geht nur am Verhandlungstisch.“

Die Tarifkommission der Gewerkschaft hatte auch das letzte Angebot der Arbeitgeber abgelehnt. Zwar sei die BVG den Beschäftigten bei der Laufzeit und den Zulagen entgegengekommen. „In Bezug auf den Grundlohn wird das Angebot jedoch weiterhin als zu niedrig bewertet, um den Nachholbedarf durch die Preissprünge der letzten Jahre zu kompensieren“, so Verdi.

In den vergangenen Tagen hatte die Gewerkschaft wieder ihre Mitglieder im Betrieb befragt, was sie von dem Angebot halten. Zwei Antwortmöglichkeiten gab es: Angebot annehmen oder die BVG zu neuen Verhandlungen auffordern. Thomas Müller, Verantwortlicher von Verdi auf dem Bus-Betriebshof Müllerstraße, berichtete schon am Morgen, dass die Stimmung eindeutig sei. Die BVG müsse sich zu einer zusätzlichen Runde bereiterklären, „oder wir drücken auf die Streiktaste“.

Die Tarifkommission der Gewerkschaft beriet am Nachmittag nur kurz über das auf allen Höfen eingesammelte Ergebnis. Es war eindeutig. „Wir wollen uns einigen. Deshalb wollen wir jetzt zeitnah weiter verhandeln. Wir erwarten endlich ein Angebot, mit dem die BVG als Arbeitgeber wieder attraktiv wird. Dafür geben wir der BVG jetzt noch einmal die Chance“, erklärt der Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt.

Im Januar hatten beide Seiten sechs Termine festgelegt, zunächst alle zwei Wochen. Doch nun steht die nächste Runde erst am 21. März an. Mit dem Ultimatum soll sich die BVG zu einer zusätzlichen Runde spätestens Ende kommender Woche bereiterklären.

Erstmals in einer Tarifauseinandersetzung mit der BVG befragt die Gewerkschaft nach jeder Verhandlungsrunde die Beschäftigten. So kam es nach den ersten drei Verhandlungsrunden jeweils zu einem Warnstreik. Bei jeder Befragung sei die Zustimmung überwältigend gewesen. Nach der vierten Runde ist die Stimmung freundlicher, statt Warnstreik also neue Verhandlungen.

Seit Mitte Januar streiten BVG und Gewerkschaft um mehr Lohn. Verdi fordert unter anderem 750 Euro pro Monat mehr, zudem deutliche Steigerungen bei den Zulagen, das alles bei einer Laufzeit von nur einem Jahr. Am vergangenen Mittwoch rückte die BVG von ihrer Forderung nach vierjähriger Laufzeit ab und schlug zweieinhalb Jahre (30 Monate) vor. Rechnerisch ist das genau die Mitte, vier Jahre seien absolut unannehmbar, dies hatte Verdi immer wieder klargemacht.

Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt hatte am Mittwochabend deshalb versöhnlich gelobt: „Die Arbeitgeberseite hat sich einen Schritt auf uns zubewegt.“ Bei der Höhe des Lohnes und den Zulagen sei man aber „noch nicht am Ziel.“

Beim Lohn und den Zulagen hat sich die BVG bislang weniger bewegt. Das aktuelle Angebot sieht eine Erhöhung der Fahrdienst- und Wechselschichtzulage auf 225 Euro und der Schichtzulage auf 130 Euro vor. Verdi war im Januar mit der Forderung 300 beziehungsweise 200 Euro Zulagen in die Verhandlungen gegangen. Beim Lohn bietet die BVG nun rückwirkend ab 1. Januar 225 Euro an. 2026 und 2027 würden zum Jahresanfang jeweils 100 Euro draufgelegt.

Gehalt der BVG-Fahrer derzeit auf dem letzten Platz

Allerdings wächst in der BVG beim nichtfahrenden Personal der Unmut über die Nichtbeachtung. Denn wer einen Bürojob hat, bekommt keine Zulagen – profitiert also nicht von dem Bereich, bei dem bislang das größte Plus angeboten wurde. Verdi hatte zu Beginn angekündigt, sich vor allem für die vielen Fahrer einzusetzen.

„Das aktuelle Angebot ist für das Unternehmen an der Grenze des Leistbaren“, hatte Jenny-Zeller Grothe, Personalvorständin und Verhandlungsführerin der BVG, am Mittwochabend gesagt. „Ich bin froh, dass Bewegung in die Verhandlung gekommen ist.“

Aktuell liegt der Verdienst der Fahrer der BVG im Bundesvergleich auf dem letzten Platz. Laut BVG würden sie mit dem jüngsten Angebot ins Mittelfeld springen. Verdi entgegnet, dass in vielen Bundesländern ebenfalls Tarifverhandlungen laufen und Berlin weiter ganz hinten liegen wird. Thomas Müller, der Hofverantwortliche in der Müllerstraße, nennt Oranienburg als Beispiel. Bei der dortigen Oberhavel Verkehrsgesellschaft verdienten Fahrer 600 Euro mehr im Monat. Auch in Potsdam verdiene man deutlich mehr, sagte Müller dem Tagesspiegel.

Laut Verdi würde nur ein großes Lohnplus im aktuellen Tarifstreit das Angebot bei Bus und Bahn langfristig sichern. Schon jetzt leiden Fahrgäste unter dem Personalmangel. Bei der U-Bahn fielen 2024 knapp vier Prozent aller Fahrten deshalb aus, bei der Straßenbahn 1,5 Prozent. Beim Bus wurde im Sommer 2023 das Angebot wegen Fahrermangels sogar um sechs Prozent reduziert.

Viele Mitarbeiter würden nur noch die aktuelle Tarifrunde abwarten, hatte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt gesagt. Wenn das Ergebnis unbefriedigend sei, würden viele abwandern.

Schon vor vier Wochen hatte die Gewerkschaft den Berliner Verkehrsbetrieben ein Ultimatum gestellt: Wenn bis zur Verhandlungsrunde am 21. März kein akzeptables Angebot vorliegt, werde es unbefristete Streiks geben. Bei einem zusätzlichen Termin in der kommenden Woche könnte ein solches „akzeptables“ Angebot auf dem Tisch liegen, so die Hoffnung.

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