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Bundespolizisten und Feuerwehrleute kümmern sich um Verletzte und Augenzeugen.

© Stefan Jacobs

Notfallübung am Berliner Flughafen BER: Wenn der Streuwagen den Terminal-Bus rammt

Ein simulierter Unfall am Hauptstadtflughafen zeigt die Stärken von Feuerwehr und Polizei – aber auch Schwächen bei der Kommunikation zwischen den Beteiligten.

Ein Schwerverletzter brüllt vor Schmerzen. Oder brüllt er im Schock und ist gar nicht schwer verletzt? Jedenfalls nicht so schwer wie die, die neben ihm still auf dem Beton liegen? Klar ist nur, dass hier viele Menschen zu versorgen sind: Auf dem Vorfeld des BER hat ein Streufahrzeug einen Bus gerammt, der Passagiere zum Terminal bringen sollte. Ein zweiter Bus steht dahinter; Menschen laufen umher, wo sie nicht aussteigen dürften. Denn der Unfall ist im Luftsicherheitsbereich zwischen Terminal und Nordbahn passiert.

„Vollübung Quadriga 2022“ heißt die Inszenierung am Dienstagnachmittag am BER – organisiert von der Flughafengesellschaft, zu bewältigen mit Feuerwehr, Bundespolizei und dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS). Der Termin war bekannt, die Details nicht. „Vollübung“ bezieht sich auf die Richtlinien der Europäischen Agentur für Flugsicherheit. Es ist die erste große Notfallübung dieser Art seit Eröffnung des BER. LDS-Landrat Stephan Loge (SPD), der qua Amt auch den Katastrophenschutz im Landkreis leitet und zwischen den Journalisten hinter der Absperrung als Beobachter steht, prophezeit: „Hier passiert bestimmt noch was.“ Der – wenn auch erhebliche – Verkehrsunfall scheine ihm für die „Vollübung“ recht überschaubar.

Nach wenigen Minuten brausen mit Tatütata mehrere große Lastwagen der Flughafenfeuerwehr heran, außerdem ein Rettungswagen. Definitiv zu wenig für die Zahl der „Verletzten“, die – im Unterschied zu den Rettungskräften – vorab gebrieft worden sind, welche Rolle sie hier zu spielen haben. Eine Frau versteht kein Deutsch, ein kräftiger Mann bestürmt nacheinander mehrere Feuerwehrleute. Eine Gafferin steht mit gezücktem Handy im Weg, ein anderer Mann sucht seinen Mitreisenden.

Im Unfallszenario ist ein Streuwagen in einen Bus gekracht.
Im Unfallszenario ist ein Streuwagen in einen Bus gekracht.

© Stefan Jacobs

Da von der Flughafengesellschaft niemand da ist, der das Geschehen erklärt, übernimmt LDS-Landrat Stephan Loge den Job. Loge, seit dem Hickhack um die Brandschutz-Abnahme des Katastrophenbaus weithin bekannt, beobachtet zufrieden, mit wie viel Personal und Technik die Flughafenfeuerwehr – es gibt drei Wachen am BER – anrückt und wie sich die Bundespolizisten um die Leute kümmern.

Aber die Rettungswagen treffen nur spärlich ein; erst eine halbe Stunde nach dem „Unglück“ sichtet Loge die ersten, die von den umliegenden Rettungswachen hinzugerufen wurden. Stirnrunzelnd schaut er auf sein Handy: „Zwischen dem Ereignis und der Meldung an die Leitstelle in Cottbus sind 13 Minuten vergangen. „Das ist zu viel“, stellt er fest. „Am Zusammenspiel zwischen Flughafen und unserem Rettungsdienst muss noch gearbeitet werden.“ Insofern hat die Übung bereits einen Zweck erfüllt.

Die Feuerwehrleute und Polizisten haben inzwischen die Gaffer als Helfer eingespannt oder abgedrängt, Geschockte von der Unfallstelle weggebracht und die Schwerverletzten unter Wärmefolien gelegt. Mit einer Leiter bergen Feuerwehrleute den verletzten Fahrer des Streuwagens aus seiner Kabine. Aber am Ende dauert es eine Stunde, bis genug Rettungswagen und Sanitäter da sind. Dabei sind die Rettungskräfte insgesamt in der Überzahl: 180 Helfer, 110 Komparsen.

Loges Prophezeiung, dass da noch ein größeres Malheur kommen würde, erweist sich als Irrtum. Der Sinn dieser Übung steht für ihn trotzdem außer Frage: Fast jedes gestellte Szenario scheine zunächst unrealistisch – aber die Realität sei im schlimmsten Fall noch absurder, resümiert er mit Blick auf seine 16 Jahre als Landrat und oberster Katastrophenschützer im südöstlichen Berliner Umland.

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