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Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Berliner Grünen, spricht auf der Landesdelegiertenkonferenz zum Leitantrag mit dem Thema Wohnungsmangel.

© dpa/Annette Riedl

„Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik“: Berliner Grüne fordern auf Parteitag mehr Regulierung

Vermieterführerschein, Vorschriften bei Neuvermietungen, keine Eigentumsförderung auf Landesebene: Auf ihrem Parteitag rücken die Berliner Grünen in ihrer Wohnungspolitik deutlich nach links.

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Die Berliner Grünen rücken in der Wohnungs- und Mietenpolitik deutlich nach links. Auf ihrem Landesparteitag am Sonnabend in Moabit stimmte eine große Mehrheit der rund 150 Delegierten dafür, den Zugang zum Wohnungsmarkt für Vermieter stärker regulieren.

Man sende das Signal in die Stadt, „dass Bündnis 90/Die Grünen an der Seite der Mieter*innen in dieser Stadt stehen“, sagte Co-Landesvorsitzender Philmon Ghirmai in seiner Rede. Er sprach von einem „Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik“ der Grünen. „Es ist ein klarer Auftrag an die Politik, in Berlin sogar ein klarer Auftrag mit Verfassungsrang, das existentielle Bedürfnis nach angemessenem und bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen.“

Kern des Leitantrags ist die Forderung nach einem Wohnungswirtschaftsgesetz. In diesem soll unter anderem geregelt werden, dass Vermieter, die mehr als 100 Wohnungen besitzen, eine Lizenz zum Vermieten brauchen – ein sogenannter Vermieterführerschein. Dieser soll von einem neu einzurichtenden Landesamt für Wohnungswesen vergeben werden.

Vermieter sollen sich in Zukunft verpflichten, ihre Bestände ordnungsgemäß und sozial verantwortlich zu vermieten und zu bewirtschaften. Verstoßen sie dauerhaft dagegen, soll das Land die Bestände gegen eine Entschädigung übernehmen. „Falls Auflagen vom Vermieter über eine Dauer nicht erfüllt werden, muss dieser Vermieter eben vom Markt“, sagte Ghirmai. „Dann ist eben Ende Gelände.“

„Radikale Veränderungen in der Wohnungspolitik“

Wohnungsunternehmen, die mehr als 1000 Wohnungen besitzen, sollen wie die landeseigenen Wohnungsunternehmen einen Teil der frei werdenden Wohnungen an Menschen mit wenig Einkommen vergeben müssen. Das Gleiche hatte vor wenigen Wochen die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus gefordert.

Zudem setzen sich die Grünen für den Aufbau eines Wohnungskatasters ein. In diesem sollen „perspektivisch alle Wohnungen in Berlin sowie deren aktueller Mietzins und die Besitzverhältnisse transparent erfasst werden“, heißt es in dem Antrag.

Marie Graser, Sprecherin der Grünen Jugend Berlin, forderte in ihrer Rede „radikale Veränderungen in der Wohnungspolitik“. Der Antrag sei dabei ein Anfang, sagte Graser.

Änderungsanträge, die für etwas weniger Regulation warben, fanden keine Mehrheit. Im Gegenteil: Der Leitantrag wurde an einer Stelle sogar noch verschärft. Katrin Schmidberger, die bei der Bundestagswahl als Direktkandidatin im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost antritt, setzte sich mit ihrer Forderung durch, die Prüfung einer Eigentumsförderung für Familien auf Landesebene aus dem Antrag zu streichen. Laut Schmidberger sei dies unter anderem angesichts der aktuellen Haushaltslage nicht die richtige Priorität. Ihr Antrag fand eine denkbar knappe Mehrheit von 71 zu 68 Stimmen.

Bereits auf ihrem vergangenen Parteitag hatten die Berliner Grünen eine Grundsatzentscheidung zu einem unter den Delegierten umstrittenen Thema getroffen: die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne. Damals setzte sich eine knappe Mehrheit mit dem Anliegen durch, dem 2021 erfolgreichen Volksentscheid „DW &Co. enteignen“ zu folgen.

Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, lobte die Grünen-Forderung nach einem Wohnungswirtschaftsgesetz. Die Politik des Senats führe vor allem zu mehr Eigentumswohnungen und mehr teuren Mietwohnungen, sagte sie. „So wird sich der Berliner Wohnungsmarkt nicht entspannen.“ Nötig seien mehr Wohnungen im bezahlbaren Segment.

Auch für die bevorstehende Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2026 setzte der Parteitag erste Weichenstellungen. Die Forderung, die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten über Bezirkslisten zu organisieren, wie dies beispielsweise bei CDU und SPD üblich ist, fand keine Mehrheit. Demnach wird es 2026 voraussichtlich wieder eine Landesliste geben bei den Grünen. Ebenso scheiterte ein Antrag, die Spitzenkandidatur der Grünen von der Basis über eine Mitgliederbefragung bestimmen zu lassen.

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