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Berlin: Party in Blau

Fünfhunderttausend kamen zur EU-Fanmeile, nur ein Stargast nicht: Gianna Nannini sagte ab

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Ansturm auf Europa: Mehr als eine halbe Million Menschen feierten gestern bei strahlendem Sonnenschein auf der Straße des 17. Juni und an der Westseite des Brandenburger Tors den 50. Jahrestag der Europäischen Gemeinschaft. In der dort aufgebauten Zeltstadt bummelten die Besucher durch die EU, klatschten zu den „Stimmen Europas“ unter der Quadriga, wo mehr als zwanzig Musikgruppen aus EU-Ländern auf einer Showbühne bis in die Nacht hinein auftraten.

Gegenüber, am Pariser Platz, ging es am frühen Nachmittag dagegen hochoffiziell zu: Von der Polizei hermetisch abgeriegelt, posierten die EU-Staatschefs fürs „Familienfoto“. Etwa 1500 Kritiker ihrer EU-Politik versammelten sich wenig später am Alexanderplatz zu einem Demonstrationszug gegen „das Europa des Kapitals“. Die Straße des 17. Juni hatte sich in eine riesige weiße Zeltstadt verwandelt. Alle 27 EU-Staaten und zahlreiche europaweite Organisationen stellten sich unter spitzgiebeligen Planen vor, präsentierten sich kulturell, kulinarisch und touristisch. Punkt 12 Uhr sollte es am Sonntag losgehen, doch schon zwei Stunden früher wurden Jurgita Aniunaite-Ott vom vom litauischen Tourismusbüro und ihre Kollegen im Zelt des baltischen Staates von Besuchern bestürmt. Heimisches Bier zapften sie, dazu gab’s geröstetes Knoblauchbrot. Auch nebenan frühstückten sich Berliner mit schwedischer Preiselbeerlimo oder spanischer Chorizo durch den Kontinent.

Danach lauschten sie zur Mittagszeit der ersten „Stimme Europas“: Die polnische Elektrobeat-Band „Village Kollektiv“ eröffnete das Bühnenprogramm. Finnland-Fans probten unterdessen im Zelt des Tausend-Seen-Staates die richtige Aussprache von „Taloon Talo“. Das heißt „ins Haus“, erklärte Olga Eisele vom Nordeuropa-Institut der Humboldt-Uni. Extra zum Europa-Fest boten die Studenten einen Crash-Sprachkurs an: „Lernen Sie Finnisch in 20 Minuten.“

Gegen 14 Uhr musste man sich mit den Ellenbogen den Weg durch die EU bahnen. Die ersten Gäste flüchteten in Richtung Tiergarten oder zu „Whisky and Cheese“ und Brid Ni Chathain ins Zelt der Iren. Die Harfenistin musizierte zur Entspannung, bevor die Zuhörer sich wieder ins Gedränge wagten. „Was gibt’s denn in Slowenien zu entdecken?“, fragten manche. Überraschendes, kaum einer hatte geahnt, dass der junge EU-Staat knapp 40 Kilometer Adria-Küste zu bieten hat.

Um 15 Uhr quoll aus dem Zelt der Österreicher in vollen Tönen die „Kleine Nachtmusik“, und „Little Amadeus“, die Comicfigur vom TV-Kinderkanal, schüttelte Jungen und Mädchen die Hand. Dann machte das Maskottchen vor Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der kurz vorbeischaute, eine Verbeugung – während sich von draußen lauter Jazz in die Mozartklänge mixte. Die „Hot cooking streetband“ warb für Europa: „Ich brauch freie Grenzen und Musik, Musik!“

Die erklang nonstop von der großen Bühne und wurde nur einmal von Buhrufen unterbrochen, als bekannt wurde, dass die italienische Rocksängerin Gianna Nannini ihren Auftritt abgesagt hat. Es sei ihr „zu viel Blabla“ bei dem Fest, soll sie gesagt haben. Im Zelt der Briten wurde gegen 16 Uhr der Mega-Geburtstagskuchen für die EU angeschnitten. Zwei Meter lang und mit Sternen dekoriert. Nach zehn Minuten war er aufgegessen, doch das Team der Botschaft hatte vorgesorgt: Unter der Theke wartete eine zweite Torte. Später am Abend fand Joe Cocker begeisterte Zuhörer; ein großes Feuerwerk beendete schließlich Berlins Tag im Zeichen Europas.

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