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Wenn der Haussegen schiefhängt, hilft Trost. Den geben oft Pflegeeltern.

© Getty Images/Westend61

Pflegefamilien fühlen sich ignoriert: Debatte über notwendige Reformen im Bund und in Berlin

Obwohl es immer mehr Kinderschutzfälle gibt, werden immer weniger Kinder in Pflegefamilien betreut. Um das zu ändern, gibt es erste gesetzliche Änderungen. Bei einem Parlamentarischen Abend zum Familienrecht sollen weitere nötige Verbesserungen diskutiert werden.

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Wenn leibliche Eltern etwa wegen Überforderung scheitern, gibt es für das Kind vor allem zwei Möglichkeiten: Heimunterbringung oder Pflegefamilie. Mit mindestens 63.700 Fällen bundesweit habe die Zahl der Kindeswohlgefährdungen zuletzt einen neuen Höchststand erreicht, teilte die „Allianz für Pflegekinder“ jetzt mit. Gleichzeitig sinke aber die Anzahl der Menschen, die Pflegeeltern werden wollen, um gefährdeten Kindern ein neues Zuhause und Geborgenheit zu bieten.

Aktuell fehlen bundesweit 4000 Pflegeeltern, allein in Berlin sind es jedes Jahr mehrere Hundert. Dies will Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) mit Reformen ändern, so gibt es jetzt unter anderem mehr finanzielle Unterstützung für Pflegeeltern und als Modellprojekt mit dem „Start-Bonus“ eine Art Elterngeld für neu aufnehmende Paare oder Alleinerziehende. In Berlin bieten aktuell 2000 Pflegefamilien eine im Vergleich zur Unterbringung im Heim weit kostengünstigere, aber effektivere Unterbringungs- und Erziehungsform.

Auch bei der Bundesgesetzgebung werden zurzeit Neuerungen erarbeitet. Doch reicht das, was angeschoben wurde, aus? „Kommt (noch) die Wende für Pflegefamilien? Was jetzt zu tun ist“ – um diese Frage soll es bei einem Parlamentarischen Abend am Mittwoch in Berlin gehen.

Familienrecht berücksichtige Pflegefamilien noch zu wenig

Der Berliner Initiative „Allianz für Pflegekinder“ gehen vor allem die geplanten Änderungen im Familienrecht nicht weit genug, sie übt Kritik an einem Entwurf zur Modernisierung des Familienrechts, der aktuell von den zuständigen Bundesministerien erarbeitet wird.

Darin würden nun neben der klassischen Familienform – leibliche Eltern (Frau, Mann) und leibliche Kinder – zwar auch andere Familienstrukturen berücksichtigt, wie Patchwork-Familien und gleichgeschlechtliche Paare. Die „Allianz“, ein Zusammenschluss von Multiplikatoren aus Justiz, Gesundheit, Jugendhilfe und von Juristen kritisiert jedoch, dass bei den geplanten Neuerungen Pflegefamilien weitgehend ignoriert würden.

Ihre Kritik am Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums verbindet die „Allianz“ mit mehreren Forderungen: So sollten auch Pflegefamilien ein „kleines Sorgerecht“ erhalten und es solle für sie Verbesserungen beim Adoptionsrecht geben. Gefordert wird auch die Erweiterung der Entscheidungsbefugnisse von Pflegeeltern sowie die Stärkung der Rechtsposition von Pflegekindern, so dass diese ihre Umgangskontakte selbst bestimmen und nicht zu Umgangskontakten gezwungen werden könnten.

Erste Neuerungen stärken Pflegeeltern, Vormünder und Betreuer

Und doch gibt es eine Reihe von positiven Neuerungen. Die Berliner Rechtsanwältin Marianne Burkert-Eulitz informierte kürzlich bei einem Online-Seminar von AktivVerbund e.V. von Pflegeeltern aus Berlin und Brandenburg über bereits neues geltendes Recht, das die Stellung von Pflegeeltern, -kindern, Vormündern und Betreuern stärkt.

So können beispielsweise Pflegeeltern laut dem neuen Familienrecht im Bundesgesetzbuch den dauerhaften Verbleib eines Pflegekindes jetzt leichter beantragen und erwirken – sofern bei der Rückführung in die leibliche Familie das Kindeswohl gefährdet sei. Dies soll allen Beteiligen, gerade auch dem Kind selbst, mehr Sicherheit und Verlässlichkeit bieten. Laut Burkert-Eulitz müssen nun „Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls, vorrangig und beschleunigt“ behandelt werden. Pflegeeltern können jetzt auch generell Anträge auf mehr Beteiligung bei Gericht stellen.

Auch die Rolle der Vormünder und der Betreuer wird durch die Reform gestärkt – sie haben nun das Anrecht, vom jeweiligen Jugendamt Beratung und Unterstützung einzufordern. Das Jugendamt soll künftig von sich aus Vormünder für Mündel vorschlagen. Diese besitzen dann in der Regel statt der Eltern das Sorgerecht, wie auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Pflegeeltern obliegt immer das Erziehungsrecht, sie kümmern sich im Alltag um das Kind.

Senatorin gratuliert Förderarbeitskreis zu 50 Jahre Bestehen

„So sehr die Aufnahme junger Menschen in Not eine Entscheidung des Herzens und des Mitgefühls ist, so wichtig sind die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen.“ Das schreibt Katharina Günther-Wünsch (CDU), Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, in ihrem Grußwort zum Jubiläum des Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern e. V., der am 16. Oktober seine Gründung vor 50 Jahren feiert. Dessen Mitglieder begleiten Berliner Pflegekinder und ihre Familien seither ehrenamtlich.

Der Arbeitskreis habe sein „über Jahrzehnte gewachsenes Gewicht und Ansehen immer auch in die fachliche Weiterentwicklung der Berliner Pflegekinderhilfe eingebracht“, schreibt Günther-Wünsch weiter.

Aus Teilen des Vereins hat sich 2018 der „Kindertagespflege Landesverband Berlin e.V.“ entwickelt und auch der Arbeitskreis hat in den letzten Jahren die Rolle des Berliner Landesverbandes übernommen und sich mit seiner fachlichen Expertise erfolgreich eingebracht. Auch die beiden gemeinnützigen Gesellschaften „proFam“ und die Berliner Beratungsinstitution „Familien für Kinder“ gGmbH seien aus dem Arbeitskreis heraus entstanden, teilte Petra Schrödel, Vorstandsvorsitzende, mit.

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