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Diese Archivaufnahme zeigt Mitglieder der Bandidos. Der Klub der Rockerbande in Hennigsdorf hat sich nun selbst aufgelöst.

© dpa

Rocker: Bandidos-Klub in Hennigsdorf löst sich selbst auf

Die Selbstauflösungen von Rocker-Clubs gehen weiter, diesmal bei den Bandidos in Hennigsdorf bei Berlin. Für die Szene könnte der Schritt Signalwirkung haben, denn der Präsident gehört zur Führungsriege der Bandidos in Deutschland.

Hennigsdorf - Anfang Juni fanden die Ermittler bei einer groß angelegten Razzia ein Drogenlabor bei den Rockern. Jetzt lösten die Bandidos ihre Niederlassung „Del Este“ in Hennigsdorf (Oberhavel) im Nordwesten Berlins auf. Die Polizei vermutet, der Druck der Behörden in den vergangenen Wochen war zu hoch, die Rocker wollten wieder aus dem Rampenlicht heraus. Ganz gleich, ob die Rocker ein Verbot befürchteten oder die Auflösung reine Taktik ist, um in anderer Form weiterzumachen und das Vereinsvermögen zu retten. Auf der Internetseite der Bandidos heißt es nur knapp: „Die Chapter Oberhausen und Berlin Del Este haben sich mit dem 12. Juli 2012 aufgelöst.“ Ein Grund wird nicht genannt.

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Deutschlandweit hatten sich in den vergangenen Wochen mehrere Ableger der großen Rockerclubs Hells Angels und Bandidos aufgelöst. Zunächst in Berlin die Hells Angels, dann auch in Potsdam und Bremen. Auch der mächtigste örtliche Club in Hannover um den Chef der Hells Angels in Deutschland, Frank Hanebuth, gab Ende Juni nach einer Razzia der Polizei auf. Ebenfalls nach einer Durchsuchung lösten sich dann in der vergangenen Woche auch die Hells Angels in Schwerin auf.

Und nun die Bandidos in Hennigsdorf, die innerhalb des Clubs in Deutschland einiges Gewicht hatten. Denn der Präsident der Niederlassung, Thorsten S. (38), ist in der Führungsebene der Rocker. Als „Sergeant at Arms“ ist er in ganz Deutschland für die Disziplin im Club zuständig, kann also auch Strafaktionen gegen Mitglieder, Verräter oder Überläufer verhängen und durchsetzen. Daher ist die Auflösung dieses einflussreichen Clubs für die Rockerszene in der Region auch ein wichtiges Signal. Ob dies möglicherweise mit dem Ultimatum der Hells Angels zu tun hat, ist noch ungewiss. Wie berichtet sollen die Hells Angels anderen Clubs eine Frist gesetzt und Gewalt angedroht haben, was sie selbst dementieren, die Polizei aber bestätigt. Demnach dulden die Hells Angels seit dem 1. Juli keinen anderen Clubs mehr in der Stadt, diese sollten sich auflösen oder zu den Hells Angels wechseln.

Thorsten S. war einst auf der anderen Seite, er hatte eine kurze Karriere als Schutzpolizist, wurde aber wegen Gewaltdelikten suspendiert und machte Jobs als Türsteher. Mit einem ebenfalls suspendierten Kollegen überfiel er 1997 den damaligen ADAC-Chef Wolf Wegener und dessen Familie. Thorsten S. wurde dafür zu sieben Jahren Haft verurteilt. Seit einigen Jahren führt er die Bandidos in Berlins Norden. Diese hielten sich aus den Rivalitäten zwischen Bandidos und Hells Angels weitgehend heraus, offenbar um in aller Ruhe den Drogengeschäften nachzugehen, wie Ermittler vermuten.

Das Chapter „Del Este“ galt als besonders aktive, aber auch als schlagkräftige Dependance der Bandidos und war überwiegend in Berlin aktiv. Die Hennigsdorfer Bandidos hatten auch ihre Hilfe als Sicherheitsdienst angeboten. Die Ermittler hatten die Bandidos in Hennigsdorf mit 20 Mitgliedern und fast 50 Unterstützern schon einige Zeit unter besonderer Beobachtung – wegen Schusswaffen, eines Buttersäureanschlags und Schutzgelderpressung. Bereits im März gab es eine Razzia. Anfang Juni holten die Sicherheitsbehörden dann zum großen Schlag aus. 1100 Beamte, darunter auch die Anti-Terror-Einheit GSG9, durchsuchten das Hennigsdorfer Clubhaus und 80 Wohnung von Bandidos in Oberhavel, Berlin und Potsdam. Sie beschlagnahmten Drogen, Geld, scharfe Schusswaffen, zwei gestohlene Motorräder und Autos. Und sie fanden die Drogenküche, mit der die Partydroge Speed hergestellt wurde. In den Verfahren geht es um Bandenkriminalität und Drogengeschäfte im großen Stil mit Kokain, Marihuana, Amphetamin und dem Schmerzmittel,in der Szene als Angstblocker bekannten Tilidin.

"Sie sollen wissen, dass der Rechtsstaat wehrhaft ist"

Die Chefs der Innenressorts in Berlin und Brandenburg betonen immer wieder ihre Entschlossenheit, rigoros gegen die Rocker-Szene vorzugehen. „Das Signal ist klar: Wir dulden in Brandenburg keine organisierte Kriminalität“, sagte Innenminister Dietmar Woidke (SPD) nach der großen Razzia Anfang Juni. Sein Berliner Amtskollege Frank Henkel (CDU) sagte am Wochenende, der Rechtsstaat werde mit allen Mitteln gegen die Rockerkriminalität kämpfen. „Dabei haben wir es mit einer der brutalsten und gefährlichsten Gruppen zu tun, die systematisch das staatliche Gewaltmonopol unterlaufen.“ Der Berliner Innensenator ließ keinen Zweifel an seiner Linie: „Ich werde dieses praktizierte Recht des Stärkeren nicht dulden. Nicht diese Verbrecher geben den Takt vor, sondern der Staat“, betonte der CDU-Politiker. „Wir werden die Rocker in einen Zustand der ständigen Ruhelosigkeit versetzen. Sie sollen wissen, dass der Rechtsstaat wehrhaft ist.“ . Die Behörden gehen in Berlin von rund 500 Bandidos aus, in Brandenburg von etwa 400.

Nach einer Beschwerde der Berliner Staatsanwaltschaft verhaftete die Polizei in der Nacht zum Samstag einen zunächst auf freien Fuß gesetzten Rocker. Beamte eines Spezialeinsatzkommandos nahmen das 28-jährige Mitglied des verbotenen Rockerclubs „Hells Angels MC Berlin City“ fest. Gegen den Beschuldigten und einen Mittäter hatte das Amtsgericht Tiergarten am 9. Juli Haftbefehl wegen gemeinsamer gefährlicher Körperverletzung erlassen. Gegen Auflagen waren die Männer jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt worden. (mit dpa)

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