zum Hauptinhalt

Berliner Justiz: Führungsaufsicht konnte Straftaten nicht verhindern

Innerhalb weniger Tage sind zwei Fälle bekannt geworden, bei denen entlassene Berliner Straftäter trotz Führungsaufsicht Gewalttaten begangen haben. Die Gerichte lehnen härtere Strafen oft ab.

Am 3. Januar stellte sich der 54-jährige Peter-Hans G. der Polizei und gestand, eine Bekannte vergewaltigt und erschlagen zu haben. Er war 2007 nach siebeneinhalb Jahren Gefängnis entlassen worden. Da er weiterhin als gefährlich galt, wurden die maximal zulässigen fünf Jahre Führungsaufsicht verhängt.

Der zweite Fall ist der des im September festgenommenen Thomas Sch. Am vergangenen Freitag hatte gegen ihn der Prozess begonnen – wegen zwei Vergewaltigungen und mehrerer Körperverletzungen. Sch. war 1999 zu zehn Jahren verurteilt worden, weil er eine Prostituierte getötet hatte. Weil auch er als gefährlich galt, wurde 2009 eine fünfjährige Führungsaufsicht verhängt.

Doch dieses Rechtsinstrument ist stumpf, das gibt selbst die Justiz zu. Führungsaufsicht bedeutet eben keine „umfassende Rundumüberwachung“, sagte ein Justizsprecher. Eine solche Überwachung kann nur die Polizei leisten, sie ist extrem personalaufwändig, so dass nur extreme Einzelfälle rund um die Uhr beschattet oder begleitet werden. Der entlassene Babymörder Matthias K. wurde zum Beispiel 2010 für längere Zeit von Fahndern des LKA begleitet. Die Staatsanwaltschaft wollte gegen ihn die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung durchsetzen, war aber vor Gericht gescheitert.

Am Wochenende bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass auch gegen Thomas Sch. eine nachträgliche Sicherungsverwahrung geplant gewesen sei. Kurz vor Ende der Haftzeit sei versucht worden, einen sogenannten Unterbringungsbeschluss gegen ihn zu erwirken. Sch. gilt als notorischer, unbelehrbarer Gewalttäter. Doch ein Gericht lehnte bereits diese Vorstufe zur nachträglichen Sicherungsverwahrung ab. Im Mai 2009 kam Sch. frei. Nach der Entlassung zeigte ein anderes Gericht ebenfalls überraschende Milde: In zweiter Instanz wurde eine 2009 verhängte Haftstrafe – Sch. hatte im Gefängnis einen Mitgefangenen traktiert – in eine Bewährungsstrafe umgewandelt. „Keine gute Entscheidung“, sagte ein Staatsanwalt.

Wie berichtet, soll Sch. während der zwei Jahre in Freiheit eine Serie von Straftaten begangen haben, unter der vor allem Frauen leiden mussten. Wie bereits 1998, vergewaltigte und misshandelte er im Sommer 2011 zwei Prostituierte. Schon 2009 und 2010 war er bei weiteren Straftaten aufgefallen. Doch die Beamten wussten bei der Aufnahme der Anzeigen nichts vom kriminellen Hintergrund des Mannes. „Bei der Abfrage der Personaldaten wird lediglich festgestellt, ob eine offene Fahndung besteht“, teilte das Polizeipräsidium mit. Von der Führungsaufsicht oder der laufenden Bewährungszeit erfuhren die Beamten daher nichts.

Einmal im Monat sollte sich Sch. „persönlich bei der Führungsaufsichtsstelle melden“, teilte ein Sprecher des Justizsenators mit. „Auch im Jahr 2011 erfolgten mehrere persönliche Gespräche, in welchen dem Bewährungshelfer keine Anzeichen für neue schwere Straftaten auffielen.“ Freiwillig hatte Sch. natürlich nicht davon berichtet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false