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© dpa

Waffen: Mythos Samurai

Japanische Samurai-Schwerter sind weitverbreitet – auch im kriminellen Milieu. Rentner wie junge Männer bringen in Berlin vermehrt die Waffe zum Einsatz.

Das Waffenarsenal ortsansässiger Gewalttäter wird immer reichhaltiger. Die Kalaschnikow, die Machete, das Butterflymesser – aus den regionalen Polizeimeldungen sind sie nicht mehr wegzudenken. In letzter Zeit machte eine Hieb- und Stichwaffe aus Fernost vermehrt Schlagzeilen: das Samuraischwert.

Kürzlich durchsuchte die Polizei in Eberswalde Räume der „Chicanos“, einer inzwischen verbotenen Rockergruppe. Gefunden wurden Pistolen, Wurfsterne, Schlagstöcke und diverse Samuraischwerter. In Oranienburg gerieten vor kurzem zwei Männer aneinander. Einer schnappte sich ein japanisches Schwert und verletzte seinen Kontrahenten am Arm. In Spandau stach ein 29-jähriger Mann mit einem Samuraischwert auf einen Polizeihund ein, als das Spezialeinsatzkommando der Polizei ihn überwältigen wollte. Das war im Dezember 2008. Zwei Monate zuvor attackierte ein Rentner aus Altglienicke seinen Nachbarn sowie zwei Polizisten mit einem Samuraischwert. Im Februar 2007 drohte ein Künstler am Brandenburger Tor, sich mit einem japanischen Schwert zu entleiben. Auch ein Fall fürs SEK.

In der Statistik scheint sich der Trend zum Schwert noch nicht bemerkbar zu machen. Bei der Polizei jedenfalls heißt es, Samuraischwerter spielten „bei der Begehung von Straftaten keine nennenswerte Rolle“. Dass die Schwerter immer öfter in den Polizeiberichten auftauchten, kann sich auch Manuel Schmidt vom Hamburger Spezialgeschäft „Swords and more“ nicht recht erklären. Schließlich gebe es deutlich leichter handhabbare Waffen. Ein Schwert zu führen sei für Kampfsportlaien durchaus mit dem Risiko behaftet, sich selbst zu verletzen. „Wir bieten regelmäßig Seminare an. Was wir da sehen, wie die Leute mit dem Schwert umgehen, ist schon erschreckend.“

Dennoch: Das klassische Samuraischwert gilt als ein perfektes Kampfinstrument und Symbol der Macht. Filme wie „Kill Bill“ huldigen dem Mythos dieser Wunderwaffe. Schwerthändler Manuel Schmidt hat Kill Bill ein erhebliches Umsatzplus zu verdanken. Samuraischwerter wecken jedenfalls bedeutend mehr Urinstinkte bei den vorwiegend männlichen Käufern als die europäischen Schwertgattungen. „Wir verkaufen etwa fünf bis sechsmal so viele Samuraischwerter“, sagt Schmidt.

In Japan gibt es noch immer einen Kult um die Schwertschmiede und ihre jahrhundertealte Kunst. Antike Schwerter aus einer bestimmten Werkstatt kosten ein Vermögen. Als die Amerikaner nach der Kapitulation Japans 1945 die Zerstörung aller Waffen forderten, wäre fast eine ganze Kultur vernichtet worden. Ein japanischer Schwertschmied braucht viele Jahre Ausbildung bei einem Meister und eine Lizenz von der Regierung. Im Monat darf er maximal zwei Lang- und drei Kurzschwerter herstellen. Die Klingen sind aus tausenden Lagen gefalteten Stahls gefertigt, das macht sie unzerbrechlich. Danach wird gehärtet und poliert, wodurch das Schwert so scharf wird, dass es mühelos Knochen durchtrennt.

Berliner Waffenhändler haben mit Schwertern so ihre Probleme. „Der Boom für solche Waffen ist lange vorbei. Die Leute haben dafür kein Geld mehr“, sagt die Inhaberin eines Waffengeschäfts in der Neuköllner Karl-Marx-Straße. In ihrem Schaufenster hängen links die Blankwaffen aus „Lord of the Ring“ (Herr der Ringe), rechts ist das Arsenal der Samuraikrieger, umrahmt von Kunstblumen und einer Geishafigur.

Die meisten Käufer hängen sich die Schwerter sowieso nur als Dekoration an die Wand. Die sind dann aus rostfreiem Stahl gefertigt, das Set aus Langschwert (Katana), Kurzschwert (Wakizashi, die Waffe fürs Harakiri) und Dolch (Tanto) gibt es schon ab 80 Euro. Wer mehr ausgeben möchte, kann sich eine komplette Samurairüstung zulegen. Die ist wesentlich imposanter und leichter als eine sperrige Ritterblechbüchse.

Dennoch. Der Samurai, der japanische Krieger mit Adelsrang, hat auch in Berlin Fuß gefasst. Es gibt etliche Kampfsportvereine mit Samurai im Namen, ein Fanclub für japanische Autos nennt sich „Samurai-Tuner Berlin“ und im Vox-Restaurant des Hyatt-Hotels am Potsdamer Platz öffnete unlängst Sushimeister Hiroshi Masuda mit einem Samuraischwert die Flanke eines Riesenthunfischs. Auch für den Schwerteinsatz in der Küche ist ein wenig Kampfsport zur Vorbereitung sehr zu empfehlen.

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