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Besetzt. Die Aktivisten des autonomen Jugendzentrums "Potse" wollen ihre Räume nicht hergeben.

© imago/Stefan Zeitz

Autonome Jugendzentren und Wohnprojekte in Berlin: „Potse“ will nicht weichen

Die Mietverträge mehrerer linker Projekte sind zum Jahresende ausgelaufen. Das könnte zu Eskalationen führen.

Die Übergabe verlief am Montag anders, als es der Jugendstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD), erwartet hatte. Statt der Schlüssel für die Räume des autonomen Jugendzentrums „Potse“ erhielt der SPD-Politiker ein Schreiben des Rechtsanwalts des Kollektivs. Die Potse-Leute wollen die Räumlichkeiten in der Potsdamer Straße nicht verlassen, behalten die Schlüssel und bleiben erst einmal dort. „Die angebotenen Ersatzräumlichkeiten stellen im besten Falle einen Witz dar“, heißt es in einer Mitteilung. „Hiermit verhöhnt die Politik die jahrzehntelange, ehrenamtliche Arbeit, die von Generationen an Jugendlichen geleistet wurde und wird.“ Das ebenfalls in dem Gebäude ansässige Jugendzentrum „Drugstore“ hatte sich für einen anderen Weg entschieden. Eine Vertreterin dieses Kollektivs überreichte Schworck die Schlüssel für die vom Drugstore genutzten Räume; ihre Emotionen konnte sie nicht verbergen.

Jetzt will das Bezirksamt die rechtliche Situation klären

Schworck war von der Aktion der Potse-Leute überrascht: „Beide Kollektive hatten zuvor versichert, ausziehen zu wollen.“ An diesem Mittwochvormittag wolle das Bezirksamt die rechtliche Situation klären. „Ich habe kein Interesse an einer Eskalation durch eine Räumung“, sagte Schworck am Dienstag. Die Potse-Aktivisten kündigten für Mittwoch eine Kundgebung an, die von 13 bis 18 Uhr dauern soll.

Die Mietverträge für die beiden Jugendzentren waren zum Jahresende ausgelaufen. Erst Mitte Dezember war ein Mietvertrag für Ersatzräume ( Potsdamer Straße 134/136) unterzeichnet worden. Dort gibt es allerdings bedeutend weniger Platz, und laute Veranstaltungen wie Punk-Konzerte, für die die „Potse“ bekannt ist, können nicht stattfinden. Dafür wird noch ein Standort gesucht, unter anderem am ehemaligen Flughafen Tempelhof. Die Besetzung der „Potse“ kommentierte der Baustadtrat im Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), auf Twitter: „Gut so!“

Auch weitere Projekte sind bedroht

Neben der „Potse“ sind durch das Auslaufen ihrer Mietverträge zum Jahreswechsel eine Reihe weiterer linker Projekte von der Räumung bedroht. Darunter die Neuköllner Kiezkneipe „Syndikat“, die seit 33 Jahren besteht und zuletzt mit zahlreichen Aktionen für den eigenen Erhalt auf sich aufmerksam machte. Dabei deckten die Betreiber der Kneipe auf, dass es sich beim Besitzer der Immobilie um eine Luxemburger Briefkastenfirma handelt. Demzufolge gibt es 75 weitere Firmen, die alle Briefkästen an der gleichen Adresse besitzen. Dahinter steckt, so die Vermutung der Aktivisten, die Pears Global Real Estate, der laut eigenen Angaben bis zu 6000 Immobilieneinheiten in Berlin gehören. Genau wie die „Potse“ verweigerten auch die Betreiber des Syndikats die Schlüsselübergabe zum vergangenen Montag.

Die "Liebig 34" hat einen hohen Stellenwert für die linksradikale Szene

Sprengstoff birgt der Umgang mit dem Wohnprojekt „Liebig 34“ im Bezirk Friedrichshain. Das laut Eigenbeschreibung „anarchaqueerfeministische Hausprojekt“ grenzt unmittelbar an die Rigaer Straße und hat einen hohen Stellenwert für die linksradikale Szene Berlins – auch dort lief der Mietvertrag aus und wurde die Schlüsselübergabe verweigert. Nun drängen sich Erinnerungen an das Jahr 2011 auf. Damals waren 2500 Polizeibeamte nötig, um das direkt gegenüberliegende Hausprojekt „Liebig 14“ zu räumen. Der Einsatz machte das Gebäude zum Symbol des Widerstands gegen die Gentrifizierung, auf das sich nun auch die Bewohner der „Liebig 34“ beziehen. In einer Erklärung der Bewohner heißt es, die Räumung 2011 habe „ein kollektives Moment des Widerstands gegen den Ausverkauf der Stadt“ geschaffen und der radikalen Linken neuen Antrieb gegeben. Sie kündigen an: „Wir möchten unser Haus nicht verlassen und werden es verteidigen.“

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