Sozialdienstleister: Prestigevorhaben der Treberhilfe droht das Aus
Durch den Skandal um die Berliner Treberhilfe ist ein Großprojekt des Sozialdienstleisters infrage gestellt. Die Treberhilfe plant ein Sozialzentrum in Schöneberg. Der Bezirk sieht für das Obdachlosenheim jedoch keinen Bedarf.
Auf dem Grundstück der ehemaligen Schwielowsee-Schule in Schöneberg plant die Treberhilfe ein soziales Zentrum mit Krisendienst, Familienzentrum, Betreuung von jungen Trebern und einem Obdachlosenheim. Auf das Gelände will auch die Zentrale der Treberhilfe ziehen. Das gemeinnützige Unternehmen hat das Grundstück mit diversen Gebäuden für 460 000 Euro gekauft und will es für einen zweistelligen Millionenbetrag sanieren. Umstritten ist besonders die Schaffung von 100 Plätzen für erwachsene Obdachlose. „Wir brauchen keine weiteren Einrichtungen für Obdachlose in Schöneberg“, sagte Sozialstadträtin Sybill Klotz (Grüne) dem Tagesspiegel. Die Treberhilfe habe trotz dieser Absage auf diesem Heim bestanden.
Im Sommer 2009 war es wegen des Projektes zu erheblichen Verstimmungen in der Bezirksverordnetenversammlung gekommen. Die Treberhilfe hatte angeboten, den üblichen Umtrunk nach Sitzungsschluss zu sponsern und dabei das Projekt vorzustellen. Der Ältestenrat lehnte ab, um nicht den Geruch politischer Lobbyarbeit aufkommen zu lassen. Daraufhin lud die Treberhilfe die Fraktionen von CDU und Grünen, die zum Sommerfest in die Caputher Villa des Unternehmens geladen waren, wieder aus.
Die Treberhilfe ist berlinweit vertreten mit Schwerpunkten in Mitte und Tempelhof-Schöneberg. 26 Anlaufstellen, Beratungsbüros und Wohnprojekte gehören ins Portfolio. Spezialgebiet ist betreutes Wohnen für Erwachsene und Jugendliche mit unterschiedlichen sozialen Defiziten, so gehören auch psychisch labile Alleinerziehende, jugendliche Treber, Drogen- und Alkoholabhängige zum Betreuungsklientel. Auch in Brandenburg ist die Treberhilfe aktiv. Im Zuge der Gründung des Aufsichtsrats und der Bestellung des zweiten Geschäftsführers Jens Fischer neben Harald Ehlert trat dieser seine Gesellschafteranteile ab. Dafür erhält Ehlert die 15 500 Euro zurück, die er persönlich eingezahlt hatte. Er ist derzeit beurlaubt.
Er sieht sich als kreativer Unternehmer, der nicht wartet, bis die Sozialverwaltung ihm „Klienten“, also Hilfsbedürftige schickt. Er definiert selbst neue Zielgruppen, erarbeitet für den Bedarf ein Konzept und verhandelt dann mit den Kostenträgern, also Senat oder Bezirk. Ein Beispiel ist das Jugendprojekt „SToP“, eine „Sofort-Intervention“ für minderjährige Straftäter. Finanziell lukrativer sind aber stationäre Projekte wie Obdachlosenheime. Pro Kopf werden pauschale Tagessätze abgerechnet, die bei geschickter Logistik, schlanker Verwaltung und guter Personaldisponierung Überschüsse ermöglichen. Bei einem Umsatz von zwölf Millionen Euro im Jahr ist ein Überschuss von rund einer Million Euro wie bei der Treberhilfe nichts Ungewöhnliches.
„Freie Träger müssen Überschüsse zur Risikovorsorge erzielen“, sagt Oswald Menninger, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin – der Dachverband, zum dem der Verein Treberhilfe derzeit gehört. Wenn die Auslastung eines Wohnprojektes zu gering ist oder die Finanzierung plötzlich gestrichen wird, bleibe der Träger auf den Kosten sitzen. Menninger spricht von einer Mindestrendite von drei Prozent, üblich seien bis zu sechs Prozent. Freie Träger können auch pleite gehen, die Insolvenzrate liege aber nur bei ein bis zwei Prozent im Jahr. Menniger sieht in der Treberhilfe einen Einzelfall. Das System der Finanzierung und der Kontrolle von sozialen Dienstleistungen funktioniere insgesamt gut. Ein neues „Transparenzgesetz“ hält er für kontraproduktiv. Das schaffe nur neuen Verwaltungsaufwand, ähnlich wie im Gesundheitswesen.