
© Katia Vásquez Pacheco
Prozess gegen rechtsextremen „Volkslehrer“: Nikolai Nerling zu elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt
Auch im Berufungsprozess wird der Holocaustleugner verurteilt. Statt volksverhetzende Videos zu drehen, will der „Volkslehrer“ künftig LKW fahren.
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Bereits vor einem Jahr habe er einen „Schlussstrich“ unter seine „journalistische Arbeit“ gezogen, erzählt Nikolai Nerling am Freitagvormittag vor dem Landgericht Berlin. Keine Videos mehr, keine Volksverhetzungen. Stattdessen wolle er sich ganz auf seine Familie konzentrieren. Nerling hat Berlin verlassen und ist Vater geworden, ein zweites Kind ist im Anmarsch. Man ertappt sich bei dem Gedanken, Nerling glauben zu schenken, er habe sich tatsächlich verändert. Doch dann sagt er mit süffisantem Lächeln angesprochen auf den Begriff „Schlussstrich“: „Wäre doch schön, wenn man das auch in anderen Bereichen so machen könnte“.
Wer den 44-Jährigen in den vergangenen Jahren verfolgt hat, versteht sofort, was er damit meint. Der ehemalige Berliner Grundschullehrer verbreitet seit 2017 als Videoblogger unter dem Namen „Volkslehrer“ kontinuierlich rechtsextreme und verschwörungsideologische Ideologie. Nachdem er in der KZ-Gedenkstätte Dachau die Shoah verharmlost hatte, wurde er 2019 wegen Volksverhetzung verurteilt. Im August 2022 folgte ein Urteil des Amtsgerichtes Tiergarten zu neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 3000 Euro wegen zahlreicher unterschiedlicher Delikte.
Gegen dieses Urteil gingen sowohl Nerling als auch die Staatsanwaltschaft in Berufung. Konkret geht es um zwei Volksverhetzungen, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, Beleidigung und Hausfriedensbruch. Dem Verfahren lagen vor allem von Nerling selbst veröffentlichte Videos zugrunde, darunter ein gemeinsames Gespräch mit der notorischen Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, die in eben diesem Video erneut den Holocaust leugnet.
Ein Verfahren wird eingestellt
Im Laufe des Prozesstages entschieden sich der angeklagte Rechtsextremist und sein Verteidiger, die Berufung in allen Fällen bis auf einen Fall der Volksverhetzung zurückziehen. Dafür stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen eines bei Lüneburg gefilmten Videos des „Volkslehrers“ ein, in dem er verschiedene Verbrechen der deutschen Wehrmacht anzweifelte.
Das Gericht verurteilte Nerling schließlich zu elf Monaten Haft auf Bewährung und folgte damit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Drastisch gesenkt wurde dafür die Geldstrafe, die auf 500 Euro minimiert wurde und der Amadeu-Antonio-Stiftung zugutekommen soll.
Nerling bezeichnete sich vor Gericht als „mittellos“, die finanziellen Verhältnisse seien eher „prekär“, als „üppig“. Der Rechtsextremist habe zwar eine erfolgreiche Umschulung als LKW-Fahrer abgeschlossen, findet seit Mai 2023 aber keine Arbeit, auch wegen seines politischen Hintergrundes, wie er vermutet.
Wessen Geistes Kind der 44-Jährige weiterhin ist, zeigte sich dann im Schlusswort des Angeklagten. Gerade erst diese Woche habe man „unter fragwürdigen Gründen“ Menschen in Sachsen festgenommen. Nerling bezieht sich damit auf die Razzia gegen die mutmaßliche Terrorgruppierung „Sächsische Separatisten“. Zwei der Festgenommenen kenne er persönlich, erklärt er vor Gericht.
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