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Mögliche Koalitionen in Berlin: Ratzmann: Rot-Grün gibt es nur ohne A 100
Der Grünen-Fraktionschef knüpft eine mögliche Koalition an ein "Nein" zur Autobahn - mit Unterstützung von Renate Künast. Die SPD warnt vor "unverrückbaren Forderungen".
- Sabine Beikler
- Christoph Spangenberg
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Kurz vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus stellen die Grünen Bedingungen für eine rot-grüne Koalition. „Wir werden keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, der den Weiterbau der Stadtautobahn A 100 zum Inhalt hat. Wenn Klaus Wowereit die A 100 will, muss er das mit der Berliner CDU machen“, sagte der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann am Mittwoch dem Tagesspiegel.
Spitzenkandidatin Renate Künast unterstützt ihren Parteifreund. „Ratzmann spricht das aus, was wir Grüne seit Monaten sagen.“ Vergangene Woche beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ sagte Künast noch, der Stopp der A 100 sei ein „Essential“ bei Koalitionsverhandlungen. „Aber der Sack wird erst am Ende zugemacht.“ Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat den Weiterbau der A 100 bis zum Treptower Park, eingebettet in ein umweltfreundliches Verkehrskonzept für Berlin, ebenfalls als eine Grundbedingung für Koalitionsverhandlungen nach der Wahl bezeichnet.
Allerdings ist der Weiterbau der A 100 in der SPD nicht unumstritten. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von fünf Stimmen hatte sich ein Landesparteitag im vergangenen Jahr für den Weiterbau ausgesprochen. „Wir gehen mit diesem Beschluss in Koalitionsverhandlungen rein“, sagte SPD-Fraktions- und Parteichef Michael Müller dem Tagesspiegel. „Wir haben es uns damals nicht leicht gemacht. Und es gibt keinen Grund, jetzt davon abzurücken. Letztlich kommt es auf das Gesamtpaket in den Verhandlungen an.“ Dass Ratzmann ein paar Tage vor der Wahl das Thema A 100 noch einmal setze, sei der „Verzweiflung“ und der Angst vor einem schlechten Wahlergebnis geschuldet. Er sei sich sicher, dass die Stadt andere Probleme als die A 100 bewege, sagte Müller weiter.
Der Druck auf die grüne Parteispitze nahm in den vergangenen Wochen gewaltig zu. Die Grünen verloren in den Umfragen und liegen derzeit mit rund 20 Prozent mehr als zehn Punkte hinter der SPD. Ein mögliches grün-schwarzes Projekt war nicht nur im traditionell linken Landesverband nicht mehrheitsfähig. Auch die grünen Stammwähler drohten zu den Piraten überzulaufen. Es ist noch nicht einmal eine Woche her, dass Spitzenkandidatin Renate Künast der CDU eine Absage erteilt hatte. Doch die Kritik an unklaren Inhalten blieb parteiintern bestehen. Die Klarstellung zur A 100 sei „überfällig“, sagte ein grüner Spitzenmann. „Damit zeigen wir: Wir sind keine Umfaller.“
Lesen Sie auf Seite 2, warum SPD-Fraktionschef Müller an die Geschehnisse nach der Wahl 2006 erinnert.
Daniel Wesener, Landeschef der Grünen, stammt aus dem traditionell linken Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. „Es ist richtig, den Wählern jetzt zu sagen, was unsere Essentials sind. Dazu gehört die A 100. Da treten wir geschlossen auf“, sagte Wesener. Auch der grüne Verkehrspolitiker und EU-Parlamentarier Michael Cramer unterstützt Ratzmann: „Es geht jetzt um Inhalte. Wenn Wowereit die A 100 für so wichtig erachtet, dann muss er das mit der CDU machen“, sagte er und schloss sich damit Ratzmann an. Der nannte noch weitere Punkte, um die gerungen werden müsse: Schwerpunkte im Haushalt und Umschichtungen, um weitere Schulsanierungen oder 400 neue Lehrer zu finanzieren.
Vor fünf Jahren hatten die Grünen schon vor den Sondierungsgesprächen Senatorenposten gefordert. Damals nannte der SPD-Partei- und Fraktionschef Michael Müller dieses Verhalten „anmaßend“, die Gespräche scheiterten, und es kam zu einer zweiten Auflage von Rot-Rot. „Offenbar hat Ratzmann daraus nichts gelernt“, sagte Müller am Mittwoch. „Man geht nicht mit unverrückbaren Forderungen in Gespräche rein.“
Der Sprecher der SPD-Parteilinken, Mark Rackles, sagte zum Thema der Autobahn: Die A 100 sei „ein Punkt von vielen und wird im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zu betrachten sein“. Auch der SPD-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, der sich ursprünglich gegen einen Weiterbau der A 100 ausgesprochen hatte, steht nun hinter dem SPD-Beschluss. „Wir akzeptieren diesen Beschluss“, sagte Kreischef Jan Stöss.
Gerlinde Schermer, parteiintern umstrittene Direktkandidatin der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg, sieht das anders. „Mit Sachargumenten können wir überzeugen“, sagte sie am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Bürgerinitiative Stadtring Süd. Derzeit ist eine Klage vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss zur A 100 anhängig. Das Verfahren beginne im Herbst, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) auf Nachfrage. Auch die Piraten und die Linke wollen die Klage unterstützen.
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