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Regierungsakten oder Verwaltungsakten?: Berliner Justizverwaltung verweigert Linken-Politiker Einsicht – der klagt nun
Berlins Justizverwaltung verwehrt Akteneinsicht zur verlängerten Arbeitszeit bei Ersatzhaft. Der Linke-Abgeordnete Schlüsselburg legt deshalb Organklage beim Verfassungsgericht ein.
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Der Linke-Politiker Sebastian Schlüsselburg hat eine Organstreitklage gegen die von Felor Badenberg (CDU) geführte Senatsjustizverwaltung beim Verfassungsgerichtshof eingelegt. Damit verlangt er komplette Einsicht in Akten rund um die sogenannte Tilgungsverordnung bei Ersatzfreiheitsstrafen.
Die Einsicht war ihm seit Februar komplett verwehrt worden, auch der von Schlüsselburg eingeschaltete Senatskanzleichef Florian Graf (CDU) konnte nicht helfen.
Die Justizverwaltung begründete die Ablehnung damit, dass es sich nicht um Akten der Verwaltung, sondern Regierungsakten handle. Denn beim Erlass der Verordnung gehe es um eine politische Richtungs- und Lenkungsentscheidung, also den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
Linke-Politiker sieht Kontrollrecht verletzt
Schlüsselburg sieht das anders. „Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben“, sagte der Rechtsexperte der Linksfraktion. Noch unter Ex-Senatorin Lena Kreck (Linke) sei Abgeordnete sogar bei laufenden Verwaltungsvorgängen Akteneinsicht gewährt worden. Das habe sich leider mit der neuen Hausleitung grundlegend geändert.
„Die Justizverwaltung ist aber nicht das Bundesamt für Verfassungsschutz“, sagte Schlüsselburg mit Blick auf Badenbergs vorherigen Job als Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz. „Die Transparenz gegenüber dem Parlament muss wiederhergestellt werden“, forderte der Linke-Politiker.
Die Justizverwaltung ist nicht das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Sebastian Schlüsselburg, Linke-Politiker
Die Tilgungsverordnung regelt den Umgang mit Personen, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber nicht zahlen und deshalb eine Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis absitzen müssen. Der schwarz-rote Senat hatte die Verordnung im Februar geändert. Demnach müssen Verurteilte sechs Stunden gemeinnützige Arbeit am Tag leisten, um die Ersatzhaft abzuwenden. Rot-Rot-Grün hatte die Stundenzahl 2021 noch von sechs auf vier gesenkt, das machte Schwarz-Rot rückgängig.
Kritiker wie Schlüsselburg warfen Schwarz-Rot vor, dass nun mehr Verurteilte die Ersatzarbeit abbrächen, weil sie wegen Sucht- und anderen Erkrankungen oft nicht mehr als einen halben Tag arbeitsfähig. Zudem würden die Haftanstalten belastet. Die Grünen warfen der Koalition vor, Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, disziplinieren zu wollen. Es gehe um Menschen, die Hilfe bräuchten und keine Strafen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Berlin mit der Vier-Stunden-Regel eher die Ausnahme als die Regel war. Nur Baden-Württemberg und Bremen haben vier Stunden, der Rest der Bundesländer sechs Stunden. Grund für die Anhebung in Berlin war laut Schwarz-Rot auch eine Gesetzesänderung auf Bundesebene durch die Ampelkoalition im Februar.
Demnach gilt, dass mit gemeinnütziger Arbeit zwei Tage und nicht wie vorher ein Tag einer Ersatzfreiheitsstrafe ersetzt werden können – eine Halbierung der Ersatzhaft, aber auch der überhaupt zu leistenden Arbeit insgesamt. Damit würden Verurteilte in Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern überdurchschnittlich und doppelt begünstigt, befand der Senat. Das sei mit Blick auf die Gerechtigkeit und das Prinzip der schuldangemessenen Strafe eine Ungleichbehandlung.
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