
© dpa/Christoph Soeder
Einmalige Diagonal-Ampel wird 25 Jahre alt: Rundumgrün an Berliner Kreuzung sollte nur getestet werden
Am 13. Juni 2000 begann an der Ecke Koch- und Friedrichstraße ein sechswöchiger Test mit „Rundumgrün“ für Fußgänger. Die Ampel steht heute, sie soll aber weg. Irgendwann. Eine Geschichte Kreuzberg – und Berlin.
Stand:
Nichts hält in Berlin so lange wie ein Provisorium. Am heutigen Freitag wird eine Ampel in Berlin-Kreuzberg 25 Jahre alt. Geplant war ein mehrwöchiger Test. Der Tagesspiegel meldete dies damals so: „Eine Rund-um-Grün-Ampel wird am kommenden Dienstag an der Ecke Kochstraße / Friedrichstraße getestet. Bei dieser Art der Ampelschaltung werden alle vier Fußgängerampeln einer Kreuzung gleichzeitig auf Grün geschaltet.“
Die Kreuzung wurde ausgewählt, weil hier gleichzeitig „starker Autoverkehr und reger Fußgängerverkehr herrscht“. Die Ampel funktioniert so: Erst haben Autos in der Kochstraße grün, dann die in der Friedrichstraße, dann alle Fußgänger zugleich. Es sind also drei Phasen, nicht nur zwei wie an den anderen 2100 Ampelkreuzungen der Stadt.
Der Test war umstritten, viele sahen die Sicherheit in Gefahr, der ADAC prophezeite Staus. Bevor es losging, musste die politische Ampel in Berlin aber erst auf Rot schalten. Es war der neue SPD-Verkehrssenator Peter Strieder, der Gefallen an dem Projekt fand. Acht Jahre lang hatte der Fußgängerverband Fuss zuvor für eine Erprobung in Berlin geworben, war regelmäßig bei den CDU-Verkehrssenatoren Herwig Haase und Jürgen Klemann abgeblitzt.
Am 13. Juni 2000 drückte eine Staatssekretärin den entscheidenden Knopf. Berlin war gründlich: Erst wurde der Verkehr an der alten Ampel zwei Wochen gefilmt, dann die neue Schaltung. Nach nur neun Tagen drohte der Abbruch: Die Autos standen im Stau, der 29er der BVG ebenso. Alle schimpften, die Zeitungen berichteten alle paar Tage. „Ärger an der Experimente-Kreuzung: Lange Staus in der Kochstraße“, titelte der Tagesspiegel an Tag 2 des Experiments. So ging es weiter
Die Verkehrsverwaltung wartete die sechs Wochen nicht ab. Nach wenigen Tagen verkündete die Sprecherin des Verkehrssenators das Aus: „Es ist die falsche Kreuzung. Es wird einen neuen Versuch geben.“

© Jörn Hasselmann
Allerdings gab es ein Hintertürchen: Zuvor sollte aber noch das diagonale Queren getestet werden, dazu wurden zusätzliche Lichter für die beiden Diagonalen angebracht. International ist das üblich, in Deutschland aber durch die Straßenverkehrsordnung verboten. Die Kreuzberger Kreuzung wurde deshalb als Modellversuch deklariert, eine Ausnahmegenehmigung erwirkt. Anfang Juni begann der neue Test – drei Wochen.
Der Tagesspiegel fand bei einem Ortstermin nicht einmal mehr „den Ansatz eines Staus“ und bilanzierte, „dass nicht das Rundum-Grün für Fußgänger die anfänglichen Staus verursachte, sondern mangelnde Vorbereitung und Markierungen. Nachgebessert funktioniert es nun offensichtlich.“
Das sah die Verkehrsverwaltung ähnlich, der Test wurde verlängert, es wurde über weitere Kreuzungen diskutiert. Nur der ADAC nörgelte über „höhere Lärm- und Emissionswerte und verschlechterte Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer“.
Tatsächlich schliefen die Diskussionen ein. Die Ampel wurde vergessen. Der Modellversuch lief einfach weiter, Straßenverkehrsordnung hin oder her. Die Ampel schaffte es nicht mehr in die Zeitung.
Das Konzept wird von Fußgängern nicht angenommen
Die damalige Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) im Jahr 2023
2023 sprang die politische Ampel in Berlin auf schwarz. Nach 23 Jahren übernahm die CDU wieder die Verkehrsverwaltung. Und die neue Senatorin Manja Schreiner schlief nicht: Das Rundumgrün in Kreuzberg werde abgeschaltet, verkündete sie im Juni 2023: „Das seit rund 20 Jahren im Pilotprojekt getestete Konzept wird von Fußgängern nicht angenommen“, erklärte ihre Verwaltung unvermittelt. Und kündigte an: „Bei nächster Gelegenheit wird die Lichtsignalanlage auf herkömmlichen Betrieb umgestellt.“
Dem Senat geht es allein darum, Fahrzeugen länger Grün zu verschaffen
Roland Stimpel, Sprecher des Fußgängerverbands „Fuss“
Der Fußgängerverband, der 1998 die Idee zu dieser Ampel hatte, widersprach: „Dem Senat geht es allein darum, Fahrzeugen länger Grün zu verschaffen“, so Fuss-Sprecher Roland Stimpel. In echten Metropolen wie London und Tokio sei Rundum-Grün selbstverständlich.
Die von der Verkehrssenatorin herbeigesehnte „nächste Gelegenheit“ kam schnell: 2024 fuhr ein Auto den Steuerungskasten der Ampel um und kaputt. Doch nun schlief die Verkehrsverwaltung, ließ die Gelegenheit verstreichen. Die unerwünschte Ampel wurde genauso diagonal wieder angeschaltet. Die Planungen für eine neue Schaltung hätten noch nicht begonnen, begründete Sprecherin Petra Nelken dies vor einem Jahr.
Genau das ist auch der Stand vor dem 25. Geburtstag von Berlin schrägster Kreuzung. Die Ampel komme weg, sagte Nelken auf Anfrage, einen Zeitplan gebe es nicht.
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