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Bloß keine schlechten Nachrichten. Sandra Scheeres will offenbar intern und in den Schulen Kritik unterbinden.

© picture alliance / Paul Zinken

Schulen in Berlin: Scheeres will Kritik an Bildungspolitik unterbinden

Der Ton im Haus von SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres wird zunehmend rauer. Kritik soll offenbar erstickt werden. Erreicht wird das Gegenteil. Eine Analyse.

In ihrer zweiten Amtszeit will Bildungssenatorin Sandra Scheeres offenbar Chefin in ihrem Haus sein: Abgesehen von dem Umstand, dass ihr Staatssekretär Mark Rackles (beide SPD) kaum noch in Erscheinung tritt, offenbar damit sie selbst als Entscheiderin wahrgenommen wird, soll jetzt auch die Schulöffentlichkeit mehr und mehr auf Linie gebracht werden. Und dabei geht Scheeres nicht gerade diplomatisch vor. „Die Personalräte haben Kenntnis davon, dass einzelne Beschäftigte massiv unter Druck gesetzt werden, keine Kritik mehr an der Bildungspolitik und der Senatorin zu äußern“, berichtet der langjährige Vizevorsitzende des Gesamtpersonalrats, Dieter Haase.

Auch Personalräte sollten keine allgemeinen Anfragen der Medien beantworten: „Dies soll der Pressestelle vorbehalten sein“, erläutert Haase die aktuelle Devise. Die Informationen fügen sich ein in die aktuelle Außendarstellung der Senatorin: Während sie von einem Bauvorhaben zum nächsten eilt, um die Fortschritte bei der Bekämpfung des Sanierungsstaus vorzuzeigen, versucht sie, negative Botschaften zu verhindern.

Ein PR-Unfall aus der Pressestelle

Diesen Eindruck vermittelt zumindest ihr jüngster Appell an die Schulleiter, den Zustand ihrer Schulen nicht allzu schlecht zu reden. Allerdings hat sich der Appell längst zum PR-Unfall entwickelt: Selbst der sonst eher zurückhaltende Landesschulbeirat, der die Senatorin laut Schulgesetz beraten soll, ging auf Distanz: „Demokratie lebt von Meinungsfreiheit, Offenheit und Transparenz“, heißt es im Beschluss des Gremiums zu dem Appell.

„Wenn Schulleiter sich danach richten, schaden sie langfristig ihrer Schule“, twitterte einer der erfolgreichsten Schulleiter Berlins, Jens Großpietsch, zu Scheeres’ Beitrag. Solche Schreiben gehörten in den „Papierkorb“, findet er. Und Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren fragte am Wochenende: „Wer berät eigentlich diese Frau?“ Angesichts der „herausragenden Verantwortung“, die Schulleiter nun einmal hätten, sollten die politisch Verantwortlichen mit ihnen, „wenn schon keine Liebesbeziehung, so zumindest ein Zweckbündnis eingehen und pflegen“, lautet Treptows Tipp an Scheeres.

"Der kritische Geist fehlt"

Auch Mitarbeiter in der Schulverwaltung üben Kritik. „Es verfestigt sich der Eindruck, dass Frau Scheeres sich nur noch mit Leuten umgibt, die ihr nach dem Mund reden“, sagt jemand, der in den ersten Jahren ihrer Amtszeit noch das „Klima“ gelobt hatte. Inzwischen aber fehle „der kritische Geist". Als engster Vertrauter wird der Leiter der Pressestelle, Thorsten Metter, von manchen Altgedienten wahrgenommen. Metter, der in den harten Spar-Jahren unter Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo Sarrazin als Sprecher der SPD-Fraktion fungierte, ist gut vernetzt und versteht es meisterhaft, unliebsamen Fragen auszuweichen. Als der Tagesspiegel jüngst von ihm wissen wollte, was es damit auf sich habe, dass Scheeres für den Doppelhaushalt 2018/19 ganze elf Stellen „Mehrbedarf“ für ein neues Referat „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ angemeldet hatte, lautete Metters – scheinbar ahnungslose – Antwort, er könne die Anfrage „nicht nachvollziehen“. Später stellte sich heraus, dass es diese Anmeldung tatsächlich gegeben hatte – allerdings war Scheeres damit beim Finanzsenator nicht durchgekommen. Letztlich blieben im Haushaltsentwurf noch fünf zusätzliche Stellen übrig.

Ein ganz neues Referat entsteht

Metter rechtfertigt die immer noch erhebliche Aufstockung auf 21 Personen damit, dass Scheeres die Servicestelle für die Gewinnung und Beratung neuer Lehrkräfte ausbauen wolle. Personalrat Haase hält diese „Aufblähung“ für „Quatsch“. Wenn jemand beraten werden wolle, „geht er in die Sprechstunde der Bewerberstelle“, sagt Haase und weist darauf hin, dass die Bewerberstelle unterausgestattet sei. Auch ein „vernünftiger Internetauftritt“ sei mehr geboten als ein solcher Ausbau der Erstberatung in dem geplanten Referat. Metter legt Wert auf die Feststellung, dass die Pressestelle nicht vom Stellenzuwachs profitieren solle. Allerdings ist sie schon jetzt opulenter ausgestattet als die anderer Senatsverwaltungen und auch besser als zu den Zeiten von Scheeres' SPD-Vorgängern Ingrid Stahmer, Klaus Böger und Jürgen Zöllner, die mit den jeweiligen Finanzsenatoren um jede einzelne zusätzliche Stelle – auch Lehrerstelle – hatten kämpfen müssen; anders als Scheeres, die sich damit brüsten kann, dass ihr Haushalt immer mehr wächst.

„Dabei ist dieser Zuwachs nicht das Verdienst von Scheeres“, ärgert sich ein Abgeordneter. Sie habe nur das „Glück“, dass Berlins Schulen so kaputt gespart worden waren, dass die Sozialdemokraten nun gar nicht mehr anders könnten als zu investieren.

Scheeres ficht es nicht an, dass es ihre eigenen Parteifreunde Wowereit sowie die Finanzsenatoren Sarrazin und Nussbaum waren, deren Sparkurs einen Teil der Gebäudesubstanz vernichtet hat: Sie erwartet Lob für die jetzt begonnene Schulbauoffensive: „Ich sach mal, das ist doch was“, gehört zu ihren liebsten Redewendungen bei Schulbegehungen.

Eine "Stilkunde" für kritikfreudige Schulleiter

Mehr Transparenz bedeutet der Ausbau der Pressestelle aber offenbar nicht, manch unbeliebte Entscheidung wird gar nicht erst kommuniziert. Letzteres gilt etwa für den Beschluss, die Landesergebnisse der Vera-Arbeiten nicht mehr zu veröffentlichen: Selbst als Mitarbeiter längst von dem Beschluss berichteten, wurde er ein Jahr lang bestritten. Das ging so lange, bis die Kultusministerkonferenz (KMK) tagte: Scheeres' Berater hatten offenbar beschlossen, die KMK vorzuschieben, obwohl sie mit der Berliner Entscheidung im Grund nichts zu tun hatte.

Nur dumm, wenn verärgerte Schulleiter das sorgsam gehütete Image durch Kritik beschädigen. Genau deshalb wohl warnte Scheeres in ihrem Rundschreiben die Schulleitungen davor, bei Mängeln die Presse einzuschalten: Sie sollten "Haltung" zeigen - das sei "eine Frage des Stils". Manche Schulleiter empfanden das als „Maulkorb“. Berlins bekanntester Lehrer Robert Rauh will davon nicht sprechen, sieht aber in dem Schreiben eine Gefahr: „Wenn nur der Eindruck entsteht, dass Schulleiter oder Lehrer von der Senatsschulverwaltung gemaßregelt werden, wenn sie sich öffentlich kritisch äußern, wäre das bedenklich“, lautet Rauhs Einordnung. Dies gelte auch im Hinblick auf die Schüler, „die wir laut Schulgesetz dazu erziehen sollen, eine eigenständige Meinung zu vertreten“. Das „hohe Gut der Meinungsfreiheit“ gelte „für alle und jederzeit“.

Am Lehrerbedarf vorbeigeplant

Sandra Scheeres – seit drei Jahren mit akutem Lehrermangel konfrontiert – hofft derweil auf positive Schlagzeilen beim Schulbau. Eigene Versäumnisse, etwa bei der Lehrerausbildung, gibt sie nicht offen zu. Stattdessen betont die Senatorin seit Jahren, dass die Zuzüge und der Flüchtlingsstrom nicht abzusehen gewesen sei. Dabei ist bekannt, dass die wenigen Studienplätze noch nicht einmal für die Kompensation der Pensionierungswelle reichen konnten.

Als zuletzt die Quote der Quereinsteiger unter den neuen Grundschullehrern zum Schuljahresbeginn auf 53 Prozent stieg, suchte man diese Information in ihrer 16-seitigen Pressemitteilung vergebens.

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