zum Hauptinhalt
Blick das Rote Rathaus und den Fernsehturm bei Abenddämmerung.

© IMAGO/Dirk Sattler

Schluss mit Durchwurschteln: Berlin muss beim Sparen jetzt echte Prioritäten setzen

Projektitis statt Regelfinanzierung: Berlin steckt voller Ineffizienzen, Doppel- und Dreifachstrukturen. Doch wer die Haushaltskrise nachhaltig meistern will, muss komplett umstrukturieren.

Ingo Salmen
Ein Kommentar von Ingo Salmen

Stand:

Es ist jedes Jahr ein unangenehmer Termin für die Politik: Der Landesrechnungshof, der unabhängige, von der Verfassung ermächtigte Kontrolleur des staatlichen Handels, legt seinen Bericht vor. Und findet meist viele Beispiele für Misswirtschaft und mangelhaftes Verwaltungshandeln.

Wichtiger als die einzelnen Fälle ist in diesem Jahr die Gesamtbilanz: Die Behörde von Rechnungshofpräsidentin Karin Klingen konstatierte eine „besorgniserregende Entwicklung der Finanzlage“ – und das seit Jahren. Es gebe ein „Ausgabenproblem“.

Wer in diesen Tagen erfahren hat, dass ihm für 2025 wegen des Sparbeschlusses des Senats die öffentlichen Gelder gestrichen werden, oder wer noch immer darum bangt, weil die Verwaltung einen Monat vor dem Jahreswechsel erst noch die Details regeln muss, der wird für diese Feststellung wenig Verständnis aufbringen.

Berlin steckt voller Ineffizienzen und Doppelstrukturen

Die Wahrheit jedoch ist: Die Millionen-Metropole Berlin steckt voller Ineffizienzen, Doppel- und Dreifachstrukturen, die nicht nur teuer sind, sondern oft auch zu keinen guten Ergebnissen für die Bürgerinnen und Bürger führen. Das zeigen nicht nur Jahr für Jahr die Berichte des Rechnungshofes, das weiß jeder, der einmal tiefer in die Prozesse von Politik und Verwaltung in Berlin und seinen Bezirken eintaucht.

Die Gründe sind vielfältig. Manches ist über Jahrzehnte gewachsen und nie wieder infrage gestellt worden, manches ist dem Zusammenspiel (oder besser: Gegeneinanderspiel) von Land und Bezirken geschuldet. Vieles aber ist auf ein Grundproblem der Staatsfinanzen zurückzuführen: die ausufernde Projektitis. Gerade im sozialen Bereich in allen seinen Ausprägungen ist es über die Jahre und Jahrzehnte viel zu sehr zum politischen Brauch geworden, die Regelfinanzierung durch eine Projektförderung zu ersetzen.

26.11.2025

Damit kann zwar jeder, der gerade regiert, wunderbar politische Akzente setzen und seine Klientel beglücken. Doch oft springen dabei schmal ausgestattete Einrichtungen und Initiativen heraus, bei denen hoch engagierte Beschäftigte, nicht selten Einzelkämpfer, sich nach Kräften bemühen, etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun. Und sich am Ende doch vor allem verzehren.

Hauptsache, es ist alles gut abgeheftet

Und weil die Förderprogramme oft wenig nachhaltig sind, schreiben unzählige freie Träger fortwährend kreative Projektanträge, um irgendwie neue Töpfe zu erschließen. Dazu verfassen sie Jahr für Jahr prosaische Rechenschaftsberichte, weil es eben so vorgeschrieben ist – auch wenn am Ende niemand alle lesen kann. Hauptsache, es ist alles gut abgeheftet. Nur, dass dann für die eigentliche Arbeit noch weniger Zeit bleibt.

In der Verwaltung selbst sieht es oft nicht anders aus. Dort hat das Kind einen anderen Namen: Ständig fallen den Entscheidungsträgern neue „Beauftragte“ für spezifische Gruppen oder Probleme ein. Auch dies oft ein Titel ohne Mittel: Wer eine solche Stelle besetzt, kann meist nur über öffentliche oder verwaltungsinterne Appelle versuchen, Einfluss zu nehmen. Echte Kompetenzen sind selten damit verbunden. Die Verwaltung selbst in den jeweiligen Bereichen mit mehr regulären Stellen auszustatten, würde wahrscheinlich mehr bewirken.

Womit wir wieder beim Haushalt und den nötigen Sparanstrengungen wären. Auch 2026 wird Berlin sparen müssen, ab 2027 prognostiziert Finanzsenator Stefan Evers (CDU) allenfalls einen moderaten Aufwuchs im Etat. Damit ist absehbar: Auch 2025 wird die Koalition wieder Projekt um Projekt darum ringen, was im Jahr darauf eingespart werden kann.

Eine nachhaltige Haushaltspolitik sieht anders aus: Wer die Landesfinanzen zukunftsfähig gestalten will, kommt um eine Aufgabenkritik und eine Strukturkritik nicht herum. Was müssen Land und Bezirke wirklich leisten und was nicht? Und wie lässt sich das so organisieren, dass es wirkungsvoll funktioniert? Die Frage ist, ob CDU und SPD die Kraft haben werden. Bisher haben sie es aufgeschoben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })