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Causa Inácio-Stech: Berlins Bildungssenatorin Günther-Wünsch kündigt zentrale Stelle für Mobbingfälle an
Im Fall des gemobbten Lehrers Oziel Inácio-Stech ist die Schulsenatorin unter Druck. Die Opposition spricht von „politischem Versagen der Hausspitze“. Doch die CDU-Politikerin geht in die Offensive.
Stand:
Als Reaktion auf den Fall des gemobbten Hilflslehrers Oziel Inácio-Stech hat Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) eine Überarbeitung der Beschwerdestrukturen in der Bildungsverwaltung angekündigt. „Wir brauchen eine zentrale Stelle, die steuert und monitort im Bereich der Mobbing- und Diskriminierungsfälle“, sagte sie am Montagnachmittag bei einem Pressestatement. „Wir sehen ja, dass die dezentralen Stellen eher zur Verantwortungslosigkeit oder zur Verschiebung von Verantwortung geführt haben, aber nicht zur Lösung, geschweige denn zu Hilfsangeboten für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen.“
Zudem will sie das Personal in den Aufsichtsbehörden besser qualifizieren. „Wir werden Aufgabenprofile neu nachschärfen, weil es zukünftig besser gelingen muss, dass Schulaufsichten Schulleitungen unterstützen“, sagte Günther-Wünsch. Ziel sei es, dass Betroffene schneller und verlässlicher Ansprechpartner hätten.
Zu dem Fall des Lehrers sagte die Senatorin erneut, dass es sich um einen „komplexen Fall“ handele. Sie betonte allerdings auch, dass es dabei um „gegenseitiges Mobbing, Diskriminierungsvorwürfe und gegenseitiges Fehlverhalten gegangen“ sei. Konkrete Rückfragen wollte sie nicht beantworten. Günter-Wünsch verwies darauf, dass es sich um einen Termin für die Abgeordneten gehandelt habe.
Daran werden wir sie natürlich messen.
Louis Krüger, schulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion hinsichtlich der Besserungsversprechen der Bildungssenatorin
Diese hatten am Vormittag Akteneinsicht zur Causa Oziel Inácio-Stech und den Vorfällen an der Carl-Bolle-Schule in Moabit erhalten. Abgeordnete der oppositionellen Grünen und Linken sowie des Koalitionspartners SPD warfen bei einem anschließendem Statement der CDU-geführten Bildungsverwaltung strukturelles Versagen vor.
„Da muss systemisch etwas angepasst werden“, sagte Louis Krüger, schulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Es sei festzustellen gewesen, dass es für Diskriminierungsfälle keine klaren Ansprechpersonen gebe und andererseits die Zuständigen „nicht qualifiziert und in der Lage“ gewesen seien, mit solchen Fällen umzugehen.
Seitens einzelner Personen habe es ein „Aufsichts- und Leitungsversagen“ gegeben, „das natürlich dienstrechtliche Konsequenzen haben muss“, sagte Krüger. Auch die Rolle von Günther-Wünsch sei noch nicht restlos aufgeklärt. Allerdings habe die Senatorin strukturelle Probleme eingestanden und Besserung versprochen: „Daran werden wir sie natürlich messen.“
Linke: „Politisches Versagen der Hausspitze“
Die Sprecherin für Bildung der Linke-Fraktion, Franziska Brychcy, sprach von einem „politischen Versagen in der Hausspitze“, weil ein Beschwerdeschreiben verloren gegangen sei und eine Rüge des Schulaufsichtsleiters in Mitte nicht berücksichtigt wurde – was dazu geführt hatte, dass der Mann Beschwerden gegen sich selbst bearbeitete und zurückwies. Zudem sei deutlich geworden, dass es in der Bildungsverwaltung an Strukturen fehle, um Diskriminierungsfälle zu bearbeiten.
Auch SPD-Bildungspolitiker Marcel Hopp sagte dem Tagesspiegel, er sei froh, dass Günther-Wünsch im Gespräch mit den Abgeordneten nach der Akteneinsicht zugestanden habe, „dass es strukturelle Probleme gibt“. Nun dafür zu sorgen, dass für solche Fälle ein funktionierendes Beschwerde- und Monitoringsystem eingerichtet werde, „sehe ich auch als unsere Aufgabe als Juniorpartner in dieser Koalition“, sagte Hopp.
Grüne, Linke und SPD betonten unisono, dass sie beim Studium der Akten keine Diskrepanz zu der bisherigen Darstellung in den Medien erkennen konnten.
Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Tommy Tabor, kam nach der Akteneinsicht als Einziger zu dem Schluss, dass „gemäß der Aktenlage“ erkenntlich sei, „dass sich die Schulleitung überaus professionell verhalten habe“. Dies teilte Tabor in einem schriftlichen Statement mit. Es habe ihm zufolge Schilderungen gegeben, die eine „Grenzüberschreitung“ von Seiten des Lehrers darstellten. Davor müssten Schüler geschützt werden. Die anderen Abgeordneten widersprachen dieser Darstellung. Auch Tabor forderte dennoch „strukturelle Verbesserungen, um in Zukunft alle Beteiligten besser zu schützen“.
Günther-Wünsch bot selbst die Akteneinsicht an
Oziel Inácio-Stech arbeitet als pädagogische Unterrichtshilfe an der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit. Er berichtet, dass Schüler ihn dort immer wieder massiv schwulenfeindlich beleidigt haben. Zudem wurde er von einer Kollegin offenbar haltlos beschuldigt, Kindern zu nahe gekommen sein – worauf seine Schulleitung ihn anzeigte. Inácio-Stech ist bis heute keinerlei Fehlverhalten nachgewiesen worden. Der Schulaufsicht Mitte und der Bildungsverwaltung allerdings wirft er im Umgang mit ihm und mit seinen Hinweisen auf die Probleme an der Schule Ignoranz, Diskriminierung und Systemversagen vor.

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Zur Akteneinsicht hatte Günther-Wünsch die Abgeordneten im Bildungsausschuss am 5. Juni explizit aufgefordert, mit dem Zusatz, sie tue damit „etwas sehr Außergewöhnliches“. Zur Begründung hatte sie angegeben, dass sie sich zu Personaleinzelangelegenheiten nicht äußern dürfe. Der Fall sei aber um ein Vielfaches komplexer als dargestellt. Die Akteneinsicht solle eine ernsthafte und fundierte Diskussion darüber ermöglichen, welche zusätzliche Unterstützung die Carl-Bolle-Schule zukommen solle und „welcher Anpassungen es in Strukturen, Prozessen, Zuständigkeiten, Meldewesen“ bedürfe.
Fall Inácio-Stech für Senatorin politisch gefährlich
Die Affäre schwelt seit Wochen und ist für die Schulsenatorin politisch gefährlich geworden: Zu einem Beschwerdebrief, den Inácio-Stechs Anwalt per Einschreiben an sie persönlich versandt hatte, hatte die CDU-Politikerin vor Abgeordneten mehrfach angegeben, sie habe ihn erst Monate später zu lesen bekommen. Diese Aussage zog sie dann öffentlich zurück: Das Vorliegen des Schreibens sei ihr nicht mehr erinnerlich gewesen. Vergangene Woche entschuldigte Günther-Wünsch sich dafür vor dem Plenum des Abgeordnetenhauses. Ein Missbilligungsantrag der Grünen gegen sie scheiterte, dennoch ist auch beim Koalitionspartner SPD der Unmut über ihr Agieren groß.
Inácio-Stech hatte alle Akten, die den Abgeordneten zu seinem Fall vorgelegt wurden, eigentlich vorher selbst einsehen wollen. Hier hatte die Bildungsverwaltung allerdings blockiert und ihm, wie berichtet, bei einem ersten Termin eine Personalakte vorgelegt, die lediglich Bewerbungsunterlagen, Fortbildungszertifikate und Ähnliches enthielt – aber keinen Hinweis auf die von ihm gemeldeten Gewaltvorfälle, auf die Anzeige seiner Schulleitung gegen ihn und seinen Mailverkehr mit der Schulaufsicht Mitte.
Auf wiederholte Anfrage des Hilfslehrers hin bekommt er die Unterlagen, die die Abgeordneten schon am Montag begutachtet haben, nun am Dienstag zu sehen. Die Bildungsverwaltung hatte ihm angeboten, den Termin mit einem Gespräch mit Günther-Wünsch zu verbinden. Weil er sich gesundheitlich dazu nicht in der Lage sieht, hatte Inácio-Stech ein Treffen allerdings zunächst abgelehnt.
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