
© IMAGO/F. Anthea Schaap
In drei Jahren ist Schluss: Reinhardswald-Grundschule in Berlin-Kreuzberg wird abgerissen
Asbestbelastung, bauliche Mängel – die Grundschule in der Gneisenaustraße darf nur noch bis Ende Januar 2028 betrieben werden. Ob es einen Neubau gibt, ist zum Frust der Schulgemeinde immer noch unklar.
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Das Aus für die Reinhardswalds-Grundschule ist besiegelt, zumindest an ihrem bisherigen Standort an der Gneisenaustraße. Wie das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg dem Tagesspiegel mitteilte, darf die Schule laut Landesgutachten längstens bis zum 31. Januar 2028 betrieben werden. „Das ,bauliche Sterbedatum‘ ist also offiziell“, teilte ein Sprecher mit.
Das Schulgebäude wird dann wohl abgerissen, es ist asbestbelastet. Ein neues Gutachten ordnete ihm die höchste Dringlichkeitsstufe der Schadstoffbelastung zu. Wegen der „erheblichen baulichen Mängel“ der Schule gibt es laut Bildungsverwaltung außerdem Probleme mit dem Brandschutz. „Nach entsprechenden Prüfungen und Abwägungen deutet vieles darauf hin, dass ein Neubau die wirtschaftlichere und baulich sinnvollere Variante darstellt.“ Zuerst berichtete die BZ.
Für die Schulgemeinde, die schon seit dem vergangenen Schuljahr für den Erhalt ihres Standorts demonstriert, sind das äußerst frustrierende Neuigkeiten. Denn ob es tatsächlich zum Neubau am alten Standort kommt, ist und bleibt unklar. Weil die Schülerzahlen im Bezirk sinken, steht zur Debatte, den Grundschulstandort ganz aufzugeben.
Die Bildungsverwaltung legt sich noch nicht fest: Die grundsätzliche Frage, „in welcher Form ein Neubau am Standort realisiert werden kann“, werde aktuell geklärt, wie eine Sprecherin mitteilte. „Die formal-finale Entscheidung hierzu steht noch aus und wird derzeit in der Steuergruppe sowie der Taskforce Schulbau diskutiert und abgewogen.“ Belastbare Aussagen zu Kosten und zeitlichem Ablauf könnten erst nach dieser Entscheidung getroffen werden.
Der Bezirk hingegen legt sich fest: „Das Bezirksamt steht eng an der Seite der Schulgemeinschaft und setzt sich entschieden für einen Neubau ein“, teilte ein Sprecher dem Tagesspiegel mit. Man hoffe, dass die Entscheidung für einen Neubau noch vor den Sommerferien gefällt werde. „Trotz prognostizierter sinkender Schulplatzbedarfe ist ein Verlust einer solchen großen Schule nicht aufzufangen, denn Grundschüler*innen müssen kurze Schulwege haben.“
Hinzu kommt, dass auf einem Grundstück direkt neben dem jetzigen Standort kurzfristig 320 neue Mietwohnungen entstehen sollen – was den Bedarf an Schulplätzen zusätzlich erhöhen dürfte.
„Die Reinhardswald- Grundschule ist eine überaus beliebte und stark nachgefragte Grundschule mit einem sehr erfolgreichen pädagogischen Konzept“, teilte das Bezirksamt mit. Die Freifläche sei mit Fördermitteln gestaltet worden, die Sporthalle erst vor wenigen Jahren saniert. „Es wäre aus Sicht des Bezirksamtes in mehrfacher Hinsicht (schulplanerisch, pädagogisch, im sozialräumlichen Kontext) unverantwortlich, dieser exzellenten Schule keine langfristige Perspektive zu geben.“
Wie kann es sein, dass eine so erfolgreiche, stark nachgefragte und tief im Kiez verwurzelte Grundschule auf Grundlage statistischer Annahmen in Frage gestellt wird?
Karin Jansen-Musolf, Schulleiterin der Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg
Das Problem der langfristig sinkenden Schülerzahlen will das Bezirksamt durch eine Verkleinerung lösen: Statt wie bisher für 630 Schülerinnen und Schüler könne der Neubau dreizügig angelegt werden, für insgesamt nur noch 430 Kinder. „Dies entspricht dem prognostizierten Schulplatzbedarf im Einschulungsbereich“, hieß es. Diese Lösung sei zudem Konsens zwischen dem Bezirk und der Schulgemeinschaft.
Wie es nach dem 31. Januar 2028 weitergehen soll, ist nun zumindest geklärt: Die Aziz-Nesin-Grundschule in der Nähe soll bis dahin in einen Ersatzneubau an der Urbanstraße gezogen sein, auf dem Europacampus aus Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule, Aziz-Nesin-Grundschule und Europa-Kita. Die Reinhardswald-Grundschule könnte dann in deren altes Schulgebäude umziehen. Allerdings laut Bezirksamt auch nur für „einige Jahre“, da auch dieses – ursprünglich als temporärer Schulbau errichtete – Gebäude nicht langfristig erhaltungsfähig ist. Was danach passiert, ist offen.
An der Reinhardswald-Grundschule sind die Neuigkeiten nicht gut angekommen: In einem Schreiben an die Eltern, das dem Tagesspiegel vorliegt, sprach Schulleiterin Karin Jansen-Musolf vor den Osterferien von „großer Bestürzung“ und stimmte die Schulgemeinde auf neue Protestaktionen ein. Die fortdauernde Unklarheit, ob der Schulstandort erhalten bleibe, sei eine „Hängepartie“ und „aus unserer Sicht weder pädagogisch noch politisch verantwortbar“. Die Reinhardswald-Grundschule sei im Kiez tief verwurzelt und leiste täglich „qualitativ hochwertige Bildungsarbeit – trotz massiver Sparmaßnahmen“, betonte Jansen-Musolf. Sie verdiene „eine klare Perspektive – und keinen schleichenden Rückzug auf Basis abstrakter Prognosen“.
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