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JüL: Letzte Scharmützel

Die Kritik an der Jahrgangsmischung in der Grundschule reißt nicht ab. Trotzdem wird es zum nächsten Schuljahr weiter ausgebaut.

Alle Proteste haben nichts genützt: Das umstrittene Jahrgangsübergreifende Lernen (JüL) in den Grundschulen wird zum Sommer weiter ausgedehnt. Bis auf wenige Schulen mit Raum- oder Personalproblemen werden Erst- und Zweitklässler überall gemischt. Dies zeichnet sich jetzt in den Bezirken ab. In Pankow ist gerade die letzte Schule dabei, sich in ihr Schicksal zu fügen. Hier hatten sich die Eltern der Elizabeth-Shaw- Grundschule mit einem Appell an Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gewandt und „aus Sorge um unsere Kinder und die Qualität ihrer Ausbildung“ um Aufschub gebeten. Sie argumentierten damit, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmten. Und sie wiesen darauf hin, dass ihre Schule bei den Vergleichsarbeiten und der Schulinspektion sehr gut abgeschnitten habe und gar nicht klar sei, was „JüL“ überhaupt bringen solle, so Elternsprecher Detlef Rux.

Eine Antwort erhielten die Eltern nicht, allerdings gab es inzwischen ein „Beratungsgespräch“ durch eine Lehrerin, die der Schule einen sanften Weg zu JüL aufgezeigt hat. Ihr Vorschlag geht dahin, zunächst alle ein bis zwei Monate eine „Werkstattwoche“ zu gestalten, bei der die ersten und zweiten Klassen gemischt werden. „Es hat keinen Sinn, sich auf die Hinterbeine zu stellen“, hat Rektorin Petra Herre festgestellt. Die Jahrgangsmischung sei nun mal gesetzlich verankert.

Wie viele Schulen jetzt nochmals die Erlaubnis erhalten, sich mit Projekten oder Werkstattwochen zu behelfen, ist nicht klar. Es komme auf den einzelnen Schulrat an, hat Gudrun Genschow festgestellt. Als Mitglied der GEW-Bezirksleitung Neukölln ist sie eine Art Sprachrohr der JüL-Gegner. Noch immer bezeichnet sie es als „Katastrophe“, dass insbesondere Kinder in sozialen Brennpunkten dieser „Wuselei“ ausgesetzt werden. „Wenn sich das Ausmaß dieser Katastrophe herumgesprochen hat, wird man den Zwang zu JüL wieder aussetzen“, erwartet Genschow.

Das hofft auch Renate Lauzemis von der Sonnen-Grundschule, denn schwierige Schüler müsse man an die Hand nehmen: Das selbstbestimmte Lernen, das bei JüL erwartet werde, funktioniere nicht.

Heidrun Böhmer sieht das anders. „JüL ist ein hartes Brot für die Lehrer, aber die Kinder profitieren“, glaubt die Rektorin der Neuköllner Regenbogen-Schule. Es sei vor allem gut, dass die schwächeren Kinder die zweite Klasse wiederholen könnten, ohne dass dies als Sitzenbleiben gewertet werde. Dass JüL verpflichtend ist, begrüßt sie, „denn der Zwang hat uns vorwärtsgebracht“.

An diesem Punkt gehen die Meinungen auseinander. Erst jüngst forderten Personalversammlungen in Steglitz-Zehlendorf, Mitte und Neukölln, JüL nur auf freiwilliger Basis einzuführen. Dies hatte auch Jörg Ramseger empfohlen, der die Grundschulreform wissenschaftlich vorbereitet hatte. Weder der damalige Bildungssenator Klaus Böger (SPD) noch die Regierungsfraktionen von SPD und Linken ließen sich davon im Jahr 2003 beirren. Allerdings sieht die Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung der SPD, Renate Harant, die Entscheidung inzwischen kritisch. Für eine Umkehr ist es aber reichlich spät: 314 von 367 Grundschulen setzen JüL bereits um - einige freiweilig, andere unfreiwillig. Mit welchem Erfolg, wurde noch nicht gemessen. Susanne Vieth-Entus

Über JüL und andere Aspekte der Grundschulreform diskutieren am Freitag, 16.30-18 Uhr, Bildungspolitiker in der Taunus-Grundschule (Wiesbadener Straße 20, Lichtenrade). Anschließend wird gefeiert, dass es vor einem Jahr gelang, die Schule an diesem Standort zu erhalten.

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