zum Hauptinhalt
Eine Erzieherin spielt mit einem Kleinkind.

© Imago/Westend61/Mareen Fischinger

Neue Bertelsmann-Studie zu Fachkräftemangel: In deutschen Kitas arbeiten immer weniger Profis

Nur ein Drittel der deutschen Kitas hat einer Studie zufolge ausreichend Fachpersonal. Forscher warnen vor einer schleichenden Entprofessionalisierung bei der Kinderbetreuung.

Stand:

Nur jede dritte deutsche Kita verfügt über genügend Fachpersonal. Dies belegt ein aktueller Report der Bertelsmann Stiftung, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach ist das Ausbildungsniveau der Erziehungskräfte seit 2023 in zehn der 16 Bundesländer gesunken. Die Autoren sehen als Gründe für den Negativtrend Personalmangel und Kostendruck.

Dabei zeigen sich sehr große Unterschiede zwischen den Ländern, aber auch zwischen den Kommunen. Als Schlusslicht weist der Report Bayern aus, wo im Durchschnitt nur 55 Prozent der Kita-Beschäftigten einen „fachlich einschlägigen Abschluss“ haben. Hamburg folgt mit 64 Prozent.

56.000
Kitas gibt es in Deutschland.

Hingegen liegt Berlin mit 75 Prozent sogar leicht über dem deutschen Schnitt von 72 Prozent. Thüringen erreicht den bundesweit höchsten Wert von 94 Prozent. Alle ostdeutschen Länder stehen bei der Fachkraftquote überdurchschnittlich da.

Wie stark der Professionalisierungsgrad auch innerhalb der Länder auseinanderfällt, zeigt eine detaillierte Betrachtung der Fachkraftquote für jede einzelne der 56.000 deutschen Kitas. Demnach verfügen zehn Prozent aller Kitas über weniger als 50 Prozent ausgebildetes Personal. Zum Vergleich: In Berlin sind sieben Prozent der Kitas in dieser Lage, was knapp 200 der insgesamt 2860 Berliner Kitas entspricht.

Hingegen erfüllen 1000 Berliner Kitas (35 Prozent) die von Bund und Ländern in der „AG frühkindliche Bildung“ empfohlene Fachkraftquote von mindestens 82,5 Prozent. In Hamburg gilt das nur für 14 Prozent der Kitas, in Bayern nur für knapp vier Prozent.

Hamburg und Bayern wehren sich

Bayern und Hamburg reagierten schon vorab verärgert auf die Bertelsmann-Darstellung: „Die Definition, wer eine Fachkraft ist, ist in jedem Bundesland anders geregelt“, erläuterte eine Sprecherin des bayerischen Familienministeriums dem Tagesspiegel. Im Übrigen lasse sich Qualität nicht allein anhand der Fachkraftquote überprüfen. Qualität sei „mehrdimensional“. Entscheidend sei das Zusammenspiel vieler Faktoren als Gesamtbild, darunter die Zusammenarbeit im Team und die Rahmenbedingungen in den Einrichtungen.

Die Ergebnisse der Studie sind infrage zu stellen.

Ein Sprecher der Hamburger Bildungsbehörde

Auch aus der Hamburger Bildungsbehörde hieß es auf Anfrage, dass sich die Fachkräftedefinition von Bertelsmann nicht mit den von Hamburg anerkannten Berufsabschlüssen decke. Dies gelte auch für andere Bundesländer, weshalb die Ergebnisse der Studie „entsprechend infrage zu stellen“ seien.

Infolge des gesetzlichen Anspruchs auf einen Kitaplatz, gekoppelt mit einer regional steigenden Kinderzahl, haben insbesondere die westdeutschen Länder neue Wege in den Erzieherberuf eröffnet und zahlreich sozialpädagogische Assistentinnen sowie weitere Berufsgruppen in die Kita-Teams integriert.

Aber darunter dürfe die Professionalität nicht leiden, fordert Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung. Um das Aufwachsen, Lernen und die Entwicklung der Kinder individuell zu fördern, brauche es „die nötige pädagogische Qualifikation“. Schließlich sei der Zusammenhang zwischen Fachkraftquote und Kita-Qualität wissenschaftlich belegt.

Es besteht die Gefahr einer schleichenden Normalisierung von geringeren professionellen Standards.

Die Autorinnen der Bertelsmann-Studie

Die Bertelsmann-Autorinnen, Eva Berg und Kathrin Bock-Famulla, verweisen zudem auf weitere Studien, die deutlich zeigten, dass die Aufweichung der Anforderungen an das Kitapersonal in elf Bundesländern ein „Risiko“ für die Bildungsqualität bedeute, sofern es keine systematische Nachqualifizierung gebe.

Die Autorinnen sehen zudem die Gefahr einer „schleichenden Normalisierung von geringeren professionellen Standards – mit weitreichenden Konsequenzen für die Kinder, das Berufsfeld, die pädagogische Qualität und die gesellschaftliche Anerkennung frühkindlicher Bildung“.

Diese drei Empfehlungen werden gegeben

Um die Qualität abzusichern, gibt es im Report drei Empfehlungen:

Standards setzen: Die Bundesländer sollten den Fachkraftstatus einheitlich definieren, die fachlichen Anforderungen angleichen und die Voraussetzungen schaffen, um fachfremde Kita-Mitarbeitende berufsbegleitend zu qualifizieren.

Personalausstattung der Kitas vorausschauend planen: Wo durch den demografischen Wandel Fachkräfte freiwerden – wie in weiten Teilen Ostdeutschlands und zunehmend auch in westdeutschen Regionen – sei ein Absenken der Standards nicht nötig, um neues Personal zu gewinnen. Hier sollten es die Länder den Trägern durch Personalverordnungen ermöglichen, eine hohe Fachkraftquote aufzubauen.

Finanzielle Entlastung der Kommunen: Bund und Länder müssten die Kosten für frühkindliche Bildung dauerhaft mitfinanzieren.

Ein großer Kita-Träger benennt ein weiteres Problem

„Dass in den Kita-Teams genug ausgebildete Fachkräfte arbeiten, ist sicher ein notwendiges, aber auch kein hinreichendes Kriterium für gute Qualität in der Kita“, betonte Mario Weis, Sprecher des großen bundesweit tätigen Kitaträgers Fröbel.

Dass in den Teams genug ausgebildete Fachkräfte arbeiten, ist sicher ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für gute Qualität in der Kita.

Mario Weis, Sprecher des bundesweit tätigen Kita-Trägers Fröbel

In Berlin etwa sei klar geregelt, wie Quereinsteigende eine berufliche Zukunft im Kita-Bereich finden könnten und welche Qualifizierung sie mitbringen und absolvieren müssten. Wenn Menschen mit vielen beruflichen Hintergründen und Erfahrungen den Kita-Alltag mitgestalteten, könne dies auch sehr bereichernd sein.

„Natürlich streben wir an, die Fachkraftquote hochzuhalten – dabei hilft uns auch die Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern in unserer Fröbel-Fachschule“, erläuterte Weis am Montag. Die Absolventen zählten in Berlin übrigens auch erst einmal als Quereinsteigende.

Was den Berliner Kitas auch noch fehlt

Der Fröbel-Sprecher wies aber auch noch auf einen weiteren Punkt hin, der den Berliner Kitas zu schaffen macht, und zwar die lange Entwicklungsdauer des neuen Instruments zur Sprachstandserhebung: „Die Teams müssen im Alltag auch erkennen können, wenn Kinder Sprachförderbedarfe entwickeln, damit sie wirksam gegensteuern können“, gibt Weis zu bedenken.

Der Einsatz entsprechender Erhebungsinstrumente stehe leider vielerorts noch am Anfang. Das sei kontraproduktiv, denn „auch voll ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher können Qualität nicht im Blindflug weiterentwickeln“. Wie berichtet, gilt das alte Instrument zur Berliner Sprachstandsmessung schon seit 2019 als überholt, musste aber weiter genutzt werden, weil die Entwicklung des neuen Tools „Beokiz“ so lange dauert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })