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Lernen in den Schulferien: Reise in die Welt der Wörter

Immer mehr Roma-Kinder werden in Neukölln zum regulären Unterricht angemeldet. Viele von ihnen können kein Deutsch Um sie vorzubereiten, bietet die Eduard-Mörike-Grundschule einen Sommerkursus für Rumänen. Die Nachfrage ist groß.

Freiwillig in den Sommerferien die Schulbank drücken – was sich nicht gerade nach Erfolgsrezept anhört, kommt bei rumänischen Kindern in Neukölln richtig gut an. Nachdem sie im letzten Jahr schon regen Zulauf hatte, wird die zweiwöchige Sommerschule für Roma auch in diesem Jahr wieder angeboten. Laut Bezirk, der das Projekt in Absprache mit der Senatsverwaltung für Bildung auf den Weg gebracht hat, geht es vor allem ums Deutschlernen. Besonders sollen Kinder angesprochen werden, die im August 2012 in die erste Klasse kommen.

Viele der Neuankömmlinge haben noch geringe oder keine Deutschkenntnisse. Wie sehr diese Hilfestellung gebraucht wird, zeigen die Teilnehmerzahlen: Eigentlich ist nur Platz für 15 Kinder eingeplant. An diesem Tag lernen 19 Mädchen und Jungen in der Eduard-Mörike-Grundschule in Neukölln – von neun bis zwölf. Und jeden Tag werden es mehr Kinder. Einige besuchen schon eine Grundschule, die Jüngsten gehen noch in die Kita. Wie Eva, 5 Jahre alt, die mit ihrer großen Schwester gekommen ist. Ein ganzes Blatt hat sie mit dem Buchstaben E gefüllt - in blauer Farbe.

Am Ende der Sommerschule, am nächsten Freitag, wird sie ihren Namen schreiben können – so hofft Oana Bauer, eine von zwei Sprachvermittlerinnen, die den Unterricht leiten. „Wir schicken niemanden weg“, sagt Bauer, die wie ihre Kolleginnen bei den Eltern für die Sommerschule geworben hat. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Das Angebot spricht sich auch per Mundpropaganda herum. Eins der ältesten Mädchen ist die 11-jährige Ana-Maria, glatte dunkle Haare, weißes Oberteil. Wie andere Kinder hier ist sie ziemlich herausgeputzt für einen Schulbesuch. Ana-Maria ist vor vier Monaten mit ihren Eltern aus der Nähe von Bukarest nach Berlin gezogen und sprach bis dahin kein Wort Deutsch. Es ist ihr erster Tag in der Sommerschule. Leise aber bestimmt sagt sie: „Ich will sprechen und lesen.“

Wenn es auf Deutsch nicht weitergeht, helfen die Sprachvermittlerinnen und eine Schulhelferin auf Rumänisch. Die Muttersprachlerinnen bekommen ab kommendem Schuljahr zwei volle Stellen an der Eduard-Mörike-Schule. Haben sie bisher während des Schuljahrs begleitend zum Unterricht das Nötigste vermittelt, um ihn zu verstehen, sollen sie jetzt auch direkt im Unterricht übersetzen, wenn es nicht weitergeht.

„Mit dem Sprachenlernen kennen sich die Kinder aus“, sagt Helferin Ana-Maria Munteanu. Die Kinder sind zweisprachig aufgewachsen: Neben Rumänisch sprechen viele Romanes, die Sprache der Roma und Sinti. Im Klassenzimmer ist aber Deutsch angesagt, auch untereinander. „Es ist hier lockerer als im normalen Unterricht“, sagt Munteanu. Es gibt keine Anwesenheitspflicht, wer zu spät kommt, wird dafür nicht ermahnt. Stattdessen wird gesungen und gemalt und spielerisch gerechnet, auch Ausflüge in den Kiez und auf Neuköllner Spielplätze stehen auf dem Programm.

„Wenn sie frisch in der Klasse sind, sitzen sie da und die Wörter rauschen an ihnen vorbei“, beschreibt Beatrice Westphal, kommissarische Schulleitern der Mörike-Grundschule, die Situation vieler Neuankömmlinge im regulären Schulalltag. Die ersten Kinder aus Rumänien seien im Schuljahr 2010/2011 gekommen, heute seien es bereits 50 von insgesamt 350 Schülern, sagt Westphal. Und ihre Zahl werde wohl im nächsten Schuljahr noch steigen. Das stellt Bezirk und Schulen vor Herausforderungen.

Besuchten zu Beginn des Jahres 2011 noch knapp 550 rumänische Kinder Neuköllner Schulen, rechnet der Bezirk im kommenden Schuljahr mit etwa 700. Jeden Monat melden sich dort bis zu 30 Kinder aus Rumänien für einen Schulplatz an. Hintergrund für den Anstieg ist die Freizügigkeit für rumänische und bulgarische Staatsbürger seit dem Beitritt der Länder zur Europäischen Union im Jahr 2007. Zwar gilt die volle Niederlassungsfreiheit erst ab 2014, wer aber mit einem Touristenvisum einreist und dann ein Gewerbe anmeldet, mit dem er Geld verdient, darf sich unbegrenzt in Berlin aufhalten. Teils unter miserablen Wohnbedingungen.

Dass sich die Sommerschule ausschließlich an rumänische Kinder richtet, hält Bildungsstadträtin Franziska Giffey für wichtig: „Aus keinem anderen Land gibt es so viele Zuzüge mit so wenigen Sprachkenntnissen.“ Ziel sei es, dass sich die Kinder so schnell wie möglich in den regulären Klassen zurechtfinden. „Wenn uns das nicht gelingt, wird es für den Staat richtig teuer “, sagt Giffey.

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