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Schulen in Berlin: Verfolgte Lehrkräfte in der NS-Zeit: 468 Einzelschicksale
Eine neue Studie hat das Ausmaß der Verfolgung von Berliner Lehrkräften im Nationalsozialismus untersucht und kam zu neuen Befunden.
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Zahlreiche Berliner Lehrkräfte wurden während der NS-Zeit mit Zwangsmaßnahmen oder gar Berufsverboten belegt. Eine Studie im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin und der Senatsverwaltung für Bildung untersuchte nun erstmals systematisch das Ausmaß der Verfolgung von Berliner Lehrkräften im Nationalsozialismus.
„Wir müssen zeigen, in welcher Weise und mit welchen Mitteln die Demokratie damals abgeschafft und Minderheiten verfolgt und ausgegrenzt wurden“, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bei der Vorstellung des Forschungsberichtes am Montag im Ernst-Abbe-Gymnasium. „Dadurch können Schülerinnen und Schüler dafür sensibilisiert werden, wie wichtig es ist, Menschenrechte und demokratische Freiheiten immer wieder, auch hier und heute, zu verteidigen“, sagte Scheeres.
Zahl der Betroffenen ist höher als bislang vermutet
Die Historiker Simone Ladwig-Winters und Hans Bergemann stießen auf insgesamt 468 Einzelschicksale von Lehrkräften an höheren Berliner Schulen, die von Zwangsmaßnahmen betroffen waren. Damit ist die Zahl der Betroffenen deutlich höher, als bislang vermutet worden war. Für Volksschulen liegen keinerlei Daten vor, daher sei die Dunkelziffer der Betroffenen wohl deutlich höher, betonte Ladwig-Winter. Fast 200 Lehrkräfte wurden aus rassistischen oder politischen Gründen mit einem Berufsverbot belegt. Dutzende wurden in den folgenden Jahren ermordet. Die übrigen Lehrkräfte wurden zumeist versetzt oder in den vorzeitigen Ruhestand gedrängt.
Die Rolle der Lehrergewerkschaften war wenig rühmlich, betonte Doreen Siebernik, Vorsitzende der GEW Berlin. Lediglich der „Allgemeine Freie Lehrerverband“ habe aktiven Widerstand gegen das NS-Regime geleistet – und sich, einem Verbot zuvorkommend, schließlich selbst aufgelöst. Die übrigen Lehrerverbände hätten sich größtenteils bereitwillig an die Maßnahmen angepasst. „Deswegen ist es wichtig, dass wir uns der Verantwortung für die Geschichte stellen“, sagte Siebernik.
Schüler sollen auf Spurensuche gehen
Der Forschungsbericht soll nun die Basis für die pädagogische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Berliner Schulen bilden. Im Unterricht sollen Schüler etwa die Spuren dieser Lehrkräfte erforschen. „Die Spurensuche an der eigenen Schule kann ein Baustein sein für die Auseinandersetzung mit Ausgrenzung und Diskriminierung“, hofft Siebernik. Madlen Haarbach
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