Abitur: Wählen – doch was zählt?
Der Landeselternausschuss hat Bildungssenator Jürgen Zöllner hart kritisiert: Noch immer fehlten dem verkürzten Abitur die nötigen klaren Rahmenbedingungen, Eltern und Lehrkräfte seien ratlos und entsetzt. Die Senatsverwaltung widerspricht den Vorwürfen.
Die Schulverwaltung hat es bisher versäumt, klare Rahmenbedingungen für das Abitur in zwölf Schuljahren aufzustellen. Das wirft der Landeselternausschuss Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) vor. So wüssten Schüler der 10. Klasse, die jetzt ihre Kurse für kommenden Herbst wählen müssen, noch immer nicht, welche dieser Kurse später ins Abitur eingebracht werden können und wie viele Stunden sie in der Woche belegen sollen. Auch die Vergleichbarkeit des Abiturs an Gymnasien und an Sekundarschulen sei nicht gewährleistet. Bei Eltern und Lehrkräften herrsche „Ratlosigkeit und Entsetzen“ . „Es gibt keine einheitliche Informationslage“, sagt René Faccin vom Landeselternausschuss. „Die Regeln werden von den Schulleitern unterschiedlich ausgelegt und teilweise auch von Profis nicht verstanden. Seit Jahren weiß man, dass das Abitur mit zwölf Jahren kommt, trotzdem wurde nichts verbindlich geregelt.“ Faccin bemängelt zudem, dass noch keine überarbeitete VGO (Verordnung Gymnasiale Oberstufe) vorliegt.
Die Senatsverwaltung widerspricht den Vorwürfen. An alle Schulen sei ein Schreiben gegangen, das die Neuerungen im Zusammenhang mit dem verkürzten Abitur darstelle, sagt der Sprecher der Verwaltung, Jens Stiller. Zwar sei es richtig, dass diese noch nicht in eine neue VGO gegossen seien, „aber das muss auch nicht sofort geschehen“, so Stiller. Die Verordnung werde nachgereicht. Klar sei, dass die Schüler aufgrund der neuen, von der Kultusministerkonferenz beschlossenen einheitlichen Wochenstundenzahl sieben Kurse mehr belegen müssten, von denen einige im Austausch mit anderen Kursen am Ende in die Abiturnote eingebracht werden können.
Im Bildungsausschuss am Montag waren die Probleme rund um das Abitur mit zwölf Jahren kein Thema – dafür aber das sogenannte jahrgangsübergreifende Lernen (JüL), bei dem Schüler der ersten bis dritten Klasse zusammen lernen. Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP, kritisiert, dass sich trotz JüL die Zahl der Sitzenbleiber bei Drittklässlern verdoppelt hätte. Zöllner solle dieses Instrument endlich wissenschaftlich überprüfen lassen. Der Senator gibt zu, dass „Theorie und Praxis bei JüL nicht übereinstimmen“, lehnt aber eine wissenschaftliche Begleitung ab. Gründe nennt er vorerst keine.
Der Ausschuss befasste sich auch kurz mit der Frage, wie verhindert werden kann, dass Schulen einem offenbar bei Eltern verbreiteten Bedürfnis nachgeben, möglichst homogene Klassen aus deutschen Kindern und Kindern nichtdeutscher Herkunft zu bilden. Gewünscht sei diese Entwicklung von der Verwaltung nicht, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen Özcan Mutlu. Die Schulaufsicht würde den Fällen nachgehen, so Zöllner. Außerdem beschloss der Ausschuss mit der Stimmenmehrheit von SPD und Linke, das Finanzierungssystem für Schulen in freier Trägerschaft nicht zu verändern. Udo Badelt