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Menschen protestieren am Potsdamer Platz in Berlin gegen das Mullah-Regime.

© Nassim Rad/Tagesspiegel

Sehnsucht nach Freiheit im Iran: Rund 2000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen das Mullah-Regime

Erneut haben sich Hunderte bei einer Demonstration in Berlin mit den Menschen im Iran solidarisiert. Hier berichten einige, was sie auf die Straße treibt.

Von Nassim Rad

Stand:

Wieder Protest in Berlin gegen das Mullah-Regime im Iran: Fast 2.000 Menschen haben sich nach Angaben der Berliner Polizei am Sonnabend an einer Demonstration aus Solidarität mit den Menschen im Iran beteiligt. Die Teilnehmer sind in großen Teilen aus der iranischen Diaspora in Deutschland. Nach Hamburg leben in Berlin die meisten Menschen aus dem Iran. 

Seit Wochen wird hier regelmäßig gegen die Gewalt und den Terror des Mullah-Regimes gegen die eigene Bevölkerungen demonstriert. Im Iran sind laut Iran Human Rights (IHRNGO) 378 Menschen während der aktuellen Proteste getötet worden, darunter mindestens 47 Kinder. Mehr als 15.000 Menschen sollen verhaftet worden sein, die Dunkelziffer ist höher. 

In Berlin war am Sonnabend auch Daniela Sepehri dabei. „Ich bin hier in Solidarität mit den Menschen im Iran, die für ihre Freiheit kämpfen, aber auch aus Protest vor dem Schweigen der Bundesregierung. Es wird immer noch nicht genug getan, um die Menschen im Iran aktiv zu unterstützen und das Regime richtig zu verurteilen”, sagt die 24-Jährige Menschenrechtsaktivistin und bekannte Stimme der iranischen Diaspora.

„Wir brauchen harte zielgerichtete Sanktionen“, fordert Daniela Sepehri.

© Foto: Tagesspiegel/Nassim Rad

„Wir brauchen harte zielgerichtete Sanktionen, da passiert noch viel zu wenig, deshalb ist es wichtig, dass wir täglich auf die Straße gehen, bis Deutschland sich endlich vollständig hinter die Menschen im Iran stellt und nicht weiterhin die Mullahs unterstützt”, fordert sie. 

Die 49-jährige Gilda H.* ist seit sieben Jahren in Deutschland und hofft auf einen Wandel im Iran, um zurückkehren zu können. „Ich wollte nicht aus dem Iran gehen. Ich bin Psychologin, ein Patient von mir war ein Mann in höherer Position. Er erpresste mich, wollte eine Affäre mit mir anfangen, und ich sah mich gezwungen, zu gehen, da mein Widerstand Probleme mit sich brachte”, erzählt sie.

Gilda H. wollte den Iran eigentlich nie verlassen.

© Tagesspiegel/Nassim Rad

„Er sagte mir auch, dass wenn ich darüber spreche im Ausland, meine Familie weitere Konsequenzen tragen müsse. Deshalb konnte ich kein Asyl beantragen, aktuell habe ich nur eine Duldung, kann nicht arbeiten. Ich wünsche mir sehr, dass der Iran befreit wird, damit ich zurück in meine Heimat kann.“ 

Auch Parsa A.** kam aus dem Iran nach Deutschland. Die 35-Jährige studiert Design und wünscht sich mehr weltweite Solidarität und Aufmerksamkeit für die Menschen im Iran, damit sie nicht alleine die Last von 43 Jahren islamischer Theokratie tragen müssten. Wenn man den Menschen dort nicht helfe, werde sich die Situation auch in anderen Ländern im Mittleren Osten verschlechtern.

Bei der Demonstration war sie dabei, „um speziell auf die Tötung der Kinder aufmerksam zu machen. Kian Pirfalak zum Beispiel war erst zehn Jahre alt, seine Familie nahm seine Leiche mit nach Hause, kühlte sie mit Eis und versteckte sie vor den Milizen, damit sie ihn nicht verschwinden lassen konnten.”

Aktivisten im Iran werfen den iranischen Sicherheitskräften vor, getötete Demonstranten heimlich zu begraben, um zu verhindern, dass ihre Beerdigungen weitere Proteste gegen die iranische Staatsführung auslösen. Erst am Freitag hatten die Beerdigungen mehrerer junger Menschen, darunter ein neunjähriges Kind, Proteste ausgelöst. 

Der Afghane Abdullah F. will die Frauen im Iran unterstützen und gleichzeitig auf die Situation in seinem Heimatland aufmerksam machen. 

© Foto: Tagesspiegel/Nassim Rad

Nicht nur Menschen aus dem Iran demonstrierten am Sonnabend in Berlin. Auch Abdullah F. aus Afghanistan, der seit vergangenem Jahr in Deutschland ist, war dabei. Es sei seine Pflicht, die Frauen im Iran zu unterstützen und gleichzeitig auf die Situation der Afghaninnen aufmerksam zu machen. Deren Lage hat sich seit der Machtergreifung der Taliban im August 2021 dramatisch verschlechtert. Ein freier Iran wäre auch eine Bereicherung für die Frauen in Afghanistan, sagt der 33-Jährige. 

Der 33-jährige Hooman K. wünscht sich einen Sturz des Mullah-Regimes im Iran. 

© Foto: Tagesspiegel/Nassim Rad

Hooman K., lebt seit sechs Jahren in Deutschland. Der 33-Jährige wünscht sich, dass „das rückständige Regime” endlich stürzt. „Wir wollen es hier den Menschen in der ganzen Welt sagen, dass wir den Rücken der Menschen im Iran stärken, dass wir an ihrer Seite stehen, dass wir dieses terroristische Regime außer Kraft setzen.” 

Teheran geht hart gegen die Demonstrierenden im eigenen Land vor. Der Iran beschuldigt unter anderem Großbritannien, Israel und die USA, die Proteste zu schüren. Tatsächlich fliehen die Menschen aus dem Iran, oft über die Türkei oder Dubai. Eine andere Möglichkeit sind Stipendien, wie im Beispiel bei Mahsa F., die 35-Jährige ist seit sechs Monaten in Deutschland, sie lebte zuvor zehn Jahre in Australien, hatte dort ihren Doktor gemacht.

2009 hatte sie im Iran die gescheiterte „Grüne Revolution“ miterlebt. „Ich bin wütend auf das Regime und gleichzeitig hoffnungsvoll, dass die Kindermörder endlich gehen“, sagt F.. „Die Stimmung heute ist eine neue, es ist hoffungsvoller, es gibt keinen Führer, die Menschen eint die Sehnsucht nach Freiheit.“ Da sie noch in den Iran reisen kann, möchte F. unerkannt bleiben. Die Teilnahme am Protest gegen das Islamische Regime bedeutet auch eine Gefährdung für hier ansässige Iraner.

Die seit zwei Monaten anhaltenden Proteste im Iran waren durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Jina Amini ausgelöst worden. Die 22-Jährige war von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie ihr islamisches Kopftuch nicht den Regeln entsprechend getragen haben soll. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

*Um im Iran lebende Angehörige der Gesprächspartner:innen zu schützen, wurden die Nachnamen der Demonstrierenden abgekürzt. Die vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt. ** Name geändert.

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