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Nach dem Willen der rot-rot-grünen Koalition in Berlin soll der herkunftssprachliche Unterricht gestärkt werden.

© Sebastian Gollnow/dpa

Update

Türkischer Konsulatsunterricht in Berlin: Senat kommt Erdogan entgegen

Nachdem die Türkei ihre Lehrpläne nachgebessert hat, empfiehlt Staatssekretär Rackles den Bezirken, den "Streit mit dem Konsulat über Miethöhen beizulegen".

Ungeachtet der fortdauernden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und der Verfolgung Andersdenkender will die Bildungsverwaltung der türkischen Seite die direkte Einflussnahme auf Berliner Schüler erleichtern.

Staatssekretär Mark Rackles (SPD) habe „den betroffenen Bezirken empfohlen, den Streit mit dem Konsulat über Miethöhen beizulegen“, teilte Behördensprecherin Beate Stoffers am Montag auf Anfrage mit: Die Mietforderung aus Mitte hatte 2017 dazu geführt, dass Ankara auf den dortigen Konsulatsunterricht verzichtete. In der Folge gibt es dort nur noch die Türkisch-AGs, die das Land anbietet, um den herkunftssprachlichen Unterricht zu stärken.

"Die Entscheidung liegt bei der einzelnen Schule"

Die Bildungsverwaltung, die sich konform mit der Kultusministerkonferenz verhält, begründet ihren Schritt damit, dass die Türkei ihren Lehrplan „angepasst“ habe: Zuvor hatte Rackles „religiöse und nationalistische“ Inhalte beanstandet. Die Behörde weist zudem darauf hin, dass die Grundschulverordnung geändert worden sei: Nun stehe dort explizit, dass der Konsulatsunterricht „der Schulaufsicht unterliegt“.

Diese schulgesetzliche Neuregelung sei aus Sicht der Bildungsverwaltung "eine Möglichkeit, konform mit der Landeshaushaltsordnung, auf Mietzahlungen zu verzichten", führte Stoffers weiter aus. Da der Senat ein einheitliches Vorgehen empfehle, solle es dazu „eine Staatssekretärsrunde mit den betroffenen Bezirken geben“. Für Mittes Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) folgt daraus, dass sein Bezirk wohl keine Miete mehr erheben könne. In diesem Fall läge die Entscheidung für oder gegen den Konsulatsunterricht bei jeder einzelnen Schule, lautet Spalleks Verständnis der Rechtlage.

Eine Expertenkommission - zwei Berichte

Rackles hatte Mitte Oktober an der "Gemischten deutsch-türkischen Expertenkommission" teilgenommen, die in Berlin tagte - und zwar als Leiter der deutschen Delegation. Die Kommission beschäftigt sich "mit Fragen der Beschulung und Förderung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die einen türkischen Familienhintergrund haben", schrieb die Bildungsverwaltung anschließend auf Facebook. Rackles wurde dort mit den Worten zitiert, dass neben der Förderung der Sprachkompetenz in Deutsch auch die Mehrsprachigkeit der Kinder und Jugendlichen im Fokus von Kitas und Schulen stehen sollte". Weiter wurde dort angekündigt, dass gemeinsam eine Elternbroschüre in deutscher und türkischer Sprache entwickelt werden solle, um türkische Eltern "über das deutsche Schulsystem und die vielfältigen Fördermöglichkeiten zu informieren".

Auf türkischer Seite berichtete beispielsweise die Tageszeitung Hürriyet über die Kommission. Dort wurde die Leiterin der türkischen Delegation, Funda Kocabıyık vom Ministeriums für nationale Erziehung, sinngemäß damit zitiert, dass "sehr wichtige, sehr positive Errungenschaften für die türkeistämmigen Kinder in Deutschland erreicht wurden". Als Beispiel nannte Kocabıyık explizit Fortschritte bei Themen wie der Miete für die Unterrichtsräume. Auch das zeigt, wie sehr der Türkei das Thema auf den Nägeln brennt.

Türkisch-AGs werden ausgebaut

Wie berichtet, verliert der Konsulatsunterricht an Bedeutung und Einfluss, seit es die genannten Türkisch-AGs gibt. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) begrüßt diese Entwicklung. Er sei „erstaunt“ über das Vorgehen der Bildungsverwaltung in Sachen Mietforderungen, sagte TBB-Sprecher Safter Cinar dem Tagesspiegel. Das konterkariere die Bemühungen bei der Etablierung der neuen Türkisch-AGs.

Anders ist die Lage in Reinickendorf: Der Bezirk überlässt der Türkei grundsätzlich keine Räume mehr – unabhängig von einer Mietforderung. Auf die Frage, ob das auch ein gangbarer Weg für andere Bezirke wäre, sagte Stoffers, „die Bezirke entscheiden in eigener Verantwortung“.

Regimetreue Lehrer, schwache Deutschkenntnisse

Seit dem Putschversuch 2016 wurden nach UN-Angaben rund 150.000 Menschen in der Türkei festgenommen und ebenso viele aus dem Staatsdienst entlassen. Lehrer gehören zu den Berufsgruppen, die von den „Säuberungen“ besonders betroffen waren: Seither, so heißt es, würden nur noch stramme Erdogan-Befürworter eingestellt. Da Ankara die Lehrer für den Konsulatsunterricht selbst auswählt, gehen Türkeikenner davon aus, dass es sich - zumindest bei jenem Drittel Lehrer, das laut Stoffers nach dem Putsch kam - um Erdogan-Getreue handelt. Viele Schulleiter beanstanden auch, dass diese Lehrer schlecht deutsch sprächen: "Uns gegenüber wurde von Schulleitungen beklagt, dass teilweise die Deutschkenntnisse nicht vorhanden oder rudimentär seien, was die Kommunikation erschwerte", berichtet Stoffers.

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