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Teilnehmer einer Fridays for Future-Demonstration protestieren in Berlin für den Klimaschutz (Archiv).

© dpa

Senatorin Jarasch stellt Pläne für Klimarat vor: Berliner Bürger sollen den Senat jetzt beim Klima beraten

Der Senat hat Einladungen an 2800 Berliner zur Teilnahme am Klimabürgerrat verschickt. Ab April sollen 100 von ihnen Empfehlungen für die Klimapolitik geben.

Berlin macht einen großen Schritt zur Gründung eines Klimabürger:innenrats. Klimaschutzsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hat dazu am Donnerstag 2800 per Los ausgewählte Berliner:innen per Brief eingeladen, an dem neuen Gremium teilzunehmen.

„Ich lade alle angeschriebenen Berlinerinnen und Berliner herzlich ein, sich für die Teilnahme am Klimabürger:innenrat zu bewerben. Je mehr mitmachen wollen, desto besser bildet das Gremium unsere Stadt ab und desto intensiver können die Debatten geführt werden“, sagte Jarasch. „Wir werden unsere Klimaziele nur erreichen, wenn wir es in Verantwortung des gesamten Senats, der Wirtschaft und der Stadtgesellschaft machen.“ Dazu sei der Rat ein wichtiges Element.

Der Rat soll bis zum Sommer dieses Jahres konkrete Empfehlungen für die Klimaschutzpolitik des Landes erarbeiten. Das Bürger:innen-Gremium soll eine Art verkleinertes Berlin darstellen: Ihm werden genau 100 Menschen ab 16 Jahren angehören, die in ihrer Zusammensetzung die Bevölkerung der Hauptstadt möglichst genau widerspiegeln.

Per Zufallsverfahren wurden 2800 Personen aus dem Melderegister angeschrieben – bewusst deutlich mehr als benötigt, denn die Rücklaufquote wird im einstelligen Prozentberiech erwartet. Ein Algorithmus wählt nach der Rücksendung aus allen Interessierten 100 Personen aus, die nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Wohnbezirk und Migrationserfahrung die Bevölkerung Berlins am besten abbilden.

Reicht das nicht, sind weitere Schritte geplant „Wir haben in früheren Beteiligungsverfahren die Erfahrung gemacht, dass sich gerade Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss, geringerem Haushaltseinkommen oder mit Migrationshintergrund seltener auf eine postalische Einladung zurückmelden“, sagte Christine von Blanckenburg, Projektleiterin beim Beteiligungsinstitut Nexus, das den Organisationsprozess des Gremiums übernimmt. Um diese Menschen gezielt zu gewinnen, werde man sie aus den 2800 kontaktierten Personen „bei Bedarf daher auch noch einmal persönlich ansprechen und einladen“.

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Mit dem Auswahlverfahren sollten so gerade auch Menschen erreicht werden, die sich sonst kaum in Beteiligungsverfahren engagieren. „Wir werden es dadurch vielleicht schaffen, dass nicht nur Aktivisten sprechen, sondern auch Menschen über Klimaschutz diskutieren, die sich entweder noch nie damit befasst haben, oder vielleicht auch Klimaskeptiker sind“, sagte Jarasch.

Die erste Sitzung des Klimarats soll Ende April stattfinden

Der Klimabürger:innenrat geht zurück auf einen Beschluss des Abgeordnetenhauses im vorigen Jahr, den die Volksinitiative „Klimaneustart Berlin“ angeregt hatte. Die erste Sitzung des Klimabürger:innenrats ist für den 26. April geplant.

Der Rat soll insgesamt neun Mal tagen. Abgesehen von der Abschlusssitzung, einem ganztätigen Treffen, finden die Termine digital statt und können nach Anmeldung teilweise auch von Zuschauern begleitet werden. Wegen des hohen Zeitaufwands erhalten die Teilnehmer eine Aufwandsentschädigung von 350 Euro.

Themen sind insbesondere die Bereiche Verkehr, Gebäude und Energie. Die Teilnehmer werden dazu zunächst in jedes Thema von Wissenschaftlern eingeführt, sagte Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), dass die wissenschaftliche Beratung koordiniert.

Die Forscher stellten den Bürger:innen in jedem Thema dazu verschiedene Handlungsoptionen vor und welche klimatischen Effekte sie mit sich bringen würden. Anschließend sollen die Teilnehmer während der mehrstündigen Treffen in Kleingruppen über die konkreten Szenarien diskutieren. Die Sitzungen werden jeweils protokolliert. Beim Abschlusstreffen am 30. Juni soll dann anhand dieser Grundlage über konkrete Maßnahmen abgestimmt werden.

Jarasch erwartet "Rückenwind für einen raschen und möglichst radikalen Klimaschutz"

Die Empfehlungen könnten anschließend in die Gesetzgebung und das Berliner Klimaschutzprogramm einfließen, sagte Jarasch. „Es gibt keinen Automatismus, dass Empfehlungen übernommen werden. Aber wenn wir etwas nicht annehmen, ist das begründungspflichtig.“ Sie selbst setzt klare, inhaltliche Hoffnung in den Rat: „Ich denke, dass die Stadt weiter ist beim Klimaschutz, als es die Politik glaubt. Ich erhoffe mir Rückenwind für einen raschen, möglichst radikalen Klimaschutz für die Stadt.“

Ob das Votum der Bürger:innen dem entsprechen wird, ist ungewiss. Da es um sehr konkrete, teils hochemotionale Themen wie den Autoverkehr geht, erwartet von Blanckenburg, dass sich die Meinungen und Zustimmungsquoten „etwas weiter spreizen“ dürften. Doch auch bei unterschiedlichen Ansichten hält Jarasch das Format geeignet, „unsere demokratische Debattenkultur zu entpolarisieren“.

Berlin ist das erste Bundesland, dass einen Bürger:innenrat einsetzt. Auf Bundesebene fand 2021 ein zum ersten Mal ein solches losbasiertes Beteiligungsformat statt zu „Deutschlands Rolle in der Welt“ statt. In Frankreich legte ein Bürgerrat im vergangenen Jahr Empfehlungen für die Klimapolitik vor.

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