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Berlin: Solo für Turteltäubchen

Janz weit draußen: Bad Liebenwerda macht seine Entfernung von Berlin mit besonderen Angeboten wett

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Wie selbst ein gut gemeintes Hinweisschild an den Autobahn täuschen kann: „Kurstadt Bad Liebenwerda“, leuchtet es auf dem Weg von Berlin nach Dresden am Straßenrand. Doch wer die Straße deswegen an der 40 Kilometer vor Dresden gelegenen Ausfahrt Ruhland verlässt, gelangt noch lange nicht ins Städtchen an der Schwarzen Elster mit dem großen Erlebnis- und Thermalbad „Wonnemar“. Erst kommen noch Lauchhammer, Plessa, Elsterwerda und dazwischen ganz, ganz viele Dörfer. Nach mehr als 35 Kilometern tauchen dann tatsächlich die ersten Häuser der Kurstadt auf. Dabei hätten sie laut Vorschrift für derartige „Unterrichtungstafeln“ schon von der Autobahn aus sichtbar sein müssen. Aber auf große Entfernungen und andere Besonderheiten müssen sich die Besucher dieses Landstrichs ohnehin einstellen.

Es beginnt schon mit dem Ortsnamen: Der klingt so exotisch, dass er Lust auf Palmen, Strand und Wellen weckt – natürlich nur in seiner Kurzform. „Bad Liebenwerda“ ist für die meisten Einheimischen offensichtlich viel zu lang. Sie sagen als Abkürzung einfach „Bali“ – auch, wenn das gleichnamige Urlauberparadies in Indonesien Tausende Kilometer entfernt liegt. Das Autobahnschild jedenfalls ziert bloß ein historisches Gebäude statt blumiger Südseeromantik. Doch dank des im Sommer 2004 eröffneten „Wonnemar“ – ein Wortspiel mit Wonne und „Mar“ für Meer – gibt es in Bad Liebenwerda durchaus exotische Erlebnisse.

Dort, im großen Badebecken, schlagen die künstlichen Wellen stündlich oder noch öfter bis zu einem Meter hoch. Auch eine Runde auf einem großen Schwimmreifen im Strömungskanal kommt unbeschwertem Urlaubsgefühl wie auf Bali schon ganz nah. Kinder fühlen sich ohnehin überall wohl, wo sie toben können – besonders aber auf den beiden langen Rutschen. Wonnemar ist also einen Familienausflug selbst aus Berlin und Potsdam wert.

Die zwei (Auto) bis drei (Zug) Stunden lange Anfahrt widerspricht zwar allen Regeln der Freizeitindustrie. Denn danach ziehen Erlebnisbäder und Thermen nur dann Besucher aus der Umgebung an, wenn sie dafür nicht länger als 45 bis 60 Minuten unterwegs sein müssen. Aber die Bädersituation in Berlin-Brandenburg entspricht anderswo gültigen Mustern nicht. In Brandenburg mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern werben gleich 18 große Erlebnis- und Thermalbäder um Besucher. Da muss niemand länger als eine halbe Stunde bis zur nächsten Wohlfühl-Adresse unterwegs sein. Dazu kommen Hotels mit einem öffentlich zugänglichem Wellnessbereich und Bäder zum Schwimmen und Toben.

Die wären alle längst pleite, gäbe es nicht die Millionenstadt Berlin inmitten der Mark. Da es dort keine vergleichbaren überdachten Erlebnisstätten gibt, begeben sich die Großstädter gern auf Landpartie.

Liebenwerda, das schon 1905 mit dem Kurbetrieb begonnen hat, schneidet als Ausflugsziel selbst bei Berlinern und Potsdamern dank besonderer Angebote nicht schlecht ab. „Zu zweit allein im Wonnemar“, heißt es beispielsweise an Freitagabenden. Ist der Wellnessbereich erst einmal geschlossen, gehören die exotischen Räume dem Paar, das sie gebucht hat. Hier genießt es zuerst einen Cocktail in einem mit Kerzen erleuchteten und wohlig warmen Wasserbecken. Wenn die Farben an Wänden und Decke im sanften Licht schimmern, liegt den meisten Besuchern ein Vergleich auf der Zunge: „Wie aus der Märchensammlung Tausendundeine Nacht.“

Das trifft nicht zuletzt auf die „Sonne des Orients“ zu. In dem so hübsch benannten Raum liegen die Gäste auf Decken im feinen Sand, spüren Licht und Wärme auf der Haut und erleben in der beinahe perfekten Inszenierung einer Wüstenlandschaft den Auf- und Untergang der Sonne. Anschließend kann man ins Hamam oder ins Rasul wechseln. Dort wartet ein Verwöhnprogramm für die Haut – mit Öl, heilenden Schlämmen oder Schaum.

Danach gleich wieder die lange Heimfahrt antreten? Das ließe die gute Laune bestimmt schwinden. In Bad Liebenwerda und Umgebung lassen sich zwar die Hotels und Pensionen an zwei Händen abzählen, aber die Übernachtungsmöglichkeiten erfüllen durchaus gehobene Ansprüche. Einige Häuser haben für die Aktion „Wellness im Kurort“ mehrtägige Gastpakete im Angebot. Das Spektrum reicht vom Besuch der zum Museum umgewandelten Brikettfabrik Louise über Massagen, Baden im Solewasser bis hin zu Fitnesskursen.

Auf jeden Fall sollte Zeit auch für einen Stadtbummel bleiben. Vom Lubwartturm bietet sich ein großartiger Blick über die Region. Das Kreismuseum gleich nebenan zeigt eine beachtliche Marionettensammlung. Bis 1815 gehörte Liebenwerda zu Sachsen, allerdings als einer der ärmsten Teile. So machten sich findige Einwohner an die Gestaltung von Marionettenpuppen, um damit übers Land zu ziehen. Puppenspieler haben hier also Tradition.

Im Kurpark fällt das Schild „Olympiaweg“ auf. Hier fanden natürlich keine Spiele statt, aber am Tag der Eröffnung der olympischen Wettkämpfe am 1. August 1936 traf in der Kleinstadt genau um 0 Uhr die Fackel auf ihrem Weg nach Berlin ein. Seit vier Jahren erinnert der „Olympiaweg“ wieder daran.

Fazit: Bad Liebenwerda lohnt durchaus auch eine längere Anfahrt.

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