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Berlin: Sozialhilfe: "Wir bieten keine Hängematte"

Karl-Peter Fuss (57) ist seit Juni Vizepräsident des Landesarbeitsamts. Zuvor war der Jurist fünf Jahre Direktor des Kölner Arbeitsamtes.

Karl-Peter Fuss (57) ist seit Juni Vizepräsident des Landesarbeitsamts. Zuvor war der Jurist fünf Jahre Direktor des Kölner Arbeitsamtes.

Derzeit wird eifrig über die Sozialhilfe gestritten. Tenor ist, Arbeitsunwilligen die Unterstützung zu entziehen. Sind arbeitslose Sozialhilfeempfänger Drückeberger?

Natürlich nicht. Es gibt auch bei der aktiv tätigen Bevölkerung Leute, die nicht so gerne arbeiten, die Arbeitslosen stellen nur den Querschnitt der Bevölkerung dar. Wir haben zudem gesetzliche Möglichkeiten, Leute zur Arbeit zu motivieren. Mit dem geplanten "Job-Aqtiv-Gesetz" der Bundesregierung können die Arbeitsämter, nach dem was jetzt schon bekannt ist, noch mehr tun als bisher. Dazu gehört, dass schon sehr schnell ein Profil des Arbeitslosen erstellt wird. Das muss an erster Stelle stehen. Es gehören aber auch die Eigenbemühungen des Arbeitslosen dazu, die wir überprüfen werden.

Brauchen wir denn mehr Druck auf Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger?

Ich rede nicht gern von Druck. Zielsetzung der Bundesanstalt für Arbeit und der Politik ist, den Arbeitslosen zu zeigen, dass jemand für sie da ist. Wir müssen unsere Angebote deutlich machen. Nur über Angebote können wir feststellen, ob jemand arbeiten will oder nicht. Im besten Fall ist das eine Arbeitsstelle.

Gibt es denn überhaupt genügend Angebote, die man machen könnte?

Auf dem ersten Arbeitsmarkt in Berlin-Brandenburg sicherlich nicht. Aber man darf nicht zu verzagt sein, denn der Arbeitsmarkt ist kein monolithischer Block, sondern in Bewegung. Wir müssen die Arbeitgeber davon überzeugen, dass sie uns noch mehr als bisher als die kompetenten Partner für den Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt ansehen. Aber wir können auch Angebote über den ersten Arbeitsmarkt hinaus bieten.

Sie sind Mitinitiator des so genannten Kölner Modells, bei dem Sozialhilfeempfänger in Zusammenarbeit von Sozial- und Arbeitsamt wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Was unterscheidet dieses Modell von anderen Aktivitäten?

Die Idee des Kölner Modells findet ihren Niederschlag im Job-Aqtiv-Gesetz: Die Nähe zu den Arbeitslosen muss hergestellt werden. Es soll keiner das Gefühl haben, es kümmert sich niemand um ihn. Es soll aber auch keiner das Gefühl haben, dass er in Ruhe gelassen wird. Die Zahl der "Kümmerer" für die Arbeitslosen muss erhöht werden.

In Berlin gibt es einige Modellversuche nach dem so genannten Kölner Modell. Beispielsweise in Treptow/Köpenick das Sprungbrettprogramm, das junge Leute im Visier hat. Ist das eine besonders schwierige Zielgruppe?

Wir müssen darauf achten, dass uns die jungen Leute nicht verloren gehen. Wenn ein Berufsleben ohne Ausbildungsplatz anfängt, dann müssen Instrumente und Betreuung her. Wir wollen nicht die Hängematte bieten, sondern gezielt vorgehen: Fördern und Fordern. Wenn die jungen Leute die Angebote nicht annehmen, dann kann man über mögliche Sanktionen reden.

Ist es nicht das Ziel, dass junge Leute erst gar nicht abhängig von Unterstützung werden?

Es gibt den Spruch: An Transferleistungen kann man sich gewöhnen. Deshalb soll dieser Weg erst gar nicht beschritten werden. Unser Bestreben muss sein, sofort den ersten Antrag auf Unterstützung mit einem Angebot zur Arbeit zu kontern, damit für eine Leistung eine Gegenleistung gebracht werden muss. Für eine solche Vorgehensweise gibt es natürlich in Berlin und Brandenburg schon gute Ansätze.

Arbeitslose, die Sozialhilfe erhalten, sind in der Regel Langzeitarbeitslose. Müssen diese Leute besonders betreut werden?

Die bedürfen selbstverständlich einer besonderen Betreuung. Pro Jahr Arbeitslosigkeit braucht man drei bis vier Monate, um Leute wieder an Beschäftigung zu gewöhnen. Das ist beispielsweise ein positives Element von ABM. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bringen einem wieder die Grundtugenden des Arbeitens bei: morgens zeitig aufstehen, mit Leuten Kontakt haben, durchhalten.

Reichen die bisherigen Regelungen für Sanktionen?

Es kann nicht der Sinn sein, mit Drohungen zu agieren. Dennoch sind Sanktionsmöglichkeiten da. Die Arbeitsämter können Leistungen komplett zu streichen - bei mangelnder Verfügbarkeit und bei zwei Sperrzeiten. So weitreichend sind die Sanktionen beim Bundessozialhilfegesetz nicht; denn es soll keiner in der Bundesrepublik Deutschland seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Aber auch die Sozialämter können natürlich Leistungen kürzen. Die Arbeitsämter erwarten, dass die Arbeitslosen mitmachen bei den Bestrebungen, Arbeit zu finden. Wenn das nicht geschieht, dann wird das sanktioniert. Das steht auch nicht im Ermessen des Sachbearbeiters, sondern ist eine gebundene Entscheidung. Allerdings bedeutet das, dass wir die Sachverhalte vernünftig aufklären müssen und die Tatbestände, die zu einer Sperrzeit führen, gerichtsfest sind.

Kann man lustlose Bewerbungen nicht verhindern, wenn der Arbeitslose während des ganzen Prozesses begleitet wird?

Das wollen wir künftig im großen Stil tun. Coaching ist wichtig. Und dann muss man dranbleiben, sich Rückmeldung geben lassen. Deswegen werden wir eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Arbeitslosen schließen, die für beide Seiten verbindlich ist und in der das Vorgehen genau festgelegt wird. Das gilt natürlich nicht für alle Arbeitslosen, viele brauchen eine solche Begleitung nicht.

Derzeit wird eifrig über die Sozialhilfe gest

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