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Berlin: Spenden als Kunstaktion: Zehntausend Mark sind schon im Kasten

Susanne Bosch sammelt Pfennige. Restpfennige nennt sie sie.

Susanne Bosch sammelt Pfennige. Restpfennige nennt sie sie. Die kleinen, nervenden Geldstücke, die ewig im Geldbeutel liegen bleiben, nach denen sich kaum einer auf der Straße bücken würde. Aber Susanne Bosch sammelt ihre Pfennige nicht zu Hause in einem Sparschwein, um sie irgendwann auf die Bank zu tragen. Sie sammelt sie in großem Stil, in einem Container auf dem Alexanderplatz.

Seit Ende Oktober steht der Sammelcontainer schon dort. Halb so groß wie ein Eisenbahncontainer, kupferfarben, mit Einwurfschlitzen versehen und einer großen Glasscheibe als Stirnseite. Um die Sammelstelle ist ständig Betrieb. Die Menschen bleiben auf ihrem Weg zur U-Bahn davor stehen, schauen hinein, werfen Geld durch die Schlitze. Inzwischen ist der gesamte Boden im Innern mit Kleingeld bedeckt: Pfennige, Zweipfennigstücke, Groschen. Susanne Boschs Kleidung passt zum Container: Ihre Jacke ist kupferfarben. "Knapp zehntausend Mark liegen hier", schätzt sie.

Das Projekt heißt "Restpfennigaktion". Die Künstlerin will nicht nur Pfennige sammeln, sondern auch die Ideen der Menschen, die ihr das Kleingeld überlassen: "Viele Leute verwerfen ihre Ideen, weil sie sagen, das scheitert ja ohnehin am Geld." Das will sie ändern. Deswegen hat der Container auf der rechten Seite auch einen Briefkasten. Hier können die Pfennigspender ihre Ideen für die Verwendung des Geldes hinterlassen. Brach liegendes Kapital und brach liegende Ideen zusammenbringen, das ist das Ziel. "Wenn die Aktion vorbei ist, lose ich aus den Spendern zwölf Leute aus, die darüber entscheiden, was mit den Pfennigen passiert."

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Susanne Bosch kommt jeden Tag auf den Alexanderplatz und kümmert sich um den Container: Verstopfte Einwurfschlitze freimachen, die Scheibe putzen, das Geld auf dem Boden gleichmäßig verteilen. Manchmal lässt sie Kinder hinein, die gerne mal im Geld baden wollen. Oder sie stellt sich nur hin und hört zu, was die Leute sagen: "Wie viel ist da wohl drin?" "Wie könnten wir die Schlösser knacken?" "Wer denkt sich denn sowas aus?" Nebenher geht sie arbeiten, Bankfilialen dekorieren oder kellnern. Denn Geld verdient sie mit der Sammelaktion nicht. Sie hat sogar noch draufgezahlt, trotz eines geschenkten Containers und einer Förderung durch den Senat.

Die Idee zum Pfennigsammeln kam der Künstlerin, als eine Freundin ihr eine Geschichte erzählte: "Petra hatte sich als kleines Mädchen überlegt, dass sie jeden Bürger um einen Pfennig bitten würde und auf diese Weise immer genug Geld hätte." 1998 machte sie aus der Geschichte ein Projekt. Zuerst mit Sammeldosen und kleinen Pappschachteln, die sie in Galerien aufstellte. Dann folgte die Idee mit dem Container.

Ein Jahr läuft die Aktion noch: Am 28. Februar 2002 wird - wegen der Umstellung von Mark auf Euro - der Pfennig als Zahlungsmittel ungültig, die Sammelstelle wird geschlossen. Bis es soweit ist, will Susanne Bosch ihre Aktion noch ausbauen: Im Frühjahr kommen zwei weitere Container in Nürnberg und München hinzu. Und im Sommer plant sie, drei Monate lang mit einem umgebauten VW-Bus Orte abzuklappern, an denen kein Container steht. "Ich will möglichst viele Menschen mit der Aktion erreichen und möglichst viele Ideen zusammenbekommen", sagt sie. Fertig entworfen hat sie diese mobile Sammelstelle schon: Auch der Bus wird kupferfarben. Sie muss nur noch einen Sponsor dafür finden.

Mit ihrem Berliner Container jedenfalls hat Susanne Bosch schon ein Stammpublikum erobert: Manche schreiben jede Woche einen Brief mit neuen Ideen, andere trifft sie immer wieder beim Pfennig-Einwerfen. Ein paar Leute sind sogar so begeistert, dass sie den Inhalt ihrer Sparschweine schicken.

Die Entscheidung der "Spenderkommission" wird für Susanne Bosch der spannendste Moment der Aktion. Bleiben die Pfennige einfach als Kunstwerk liegen? Wird eine Stiftung für irgendetwas eingerichtet? Eigene Tipps will sie nicht einreichen. Sie hat ihre Idee ja verwirklicht.

Alex Krämer

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