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Berlin: Sperrstunde im Museum

Zu wenig Besucher, zu hohe Kosten: Der Martin-Gropius-Bau schließt künftig früher und ist damit nicht allein. Anderen Häusern geht es noch schlechter.

Eintritt bis in die Abendstunden, am besten an sieben Tagen die Woche – seit Jahren gehört es zum Service vieler Museen, möglichst lange und bei großen Ausstellungen auch flexible Öffnungszeiten anzubieten. „Wir haben das lange durchgehalten, doch gerade die Abendstunden rentieren sich nicht“, sagt Gereon Sievernich, Direktor des Martin-Gropius-Baus in Kreuzberg. Nun verkürzt das erfolgreichste Ausstellungshaus Berlins mit 640 000 Besuchern jährlich seine Öffnungszeiten um eine Stunde. Ab sofort sind Ausstellungen nicht mehr von 10 bis 20 Uhr, sondern nur noch bis 19 Uhr zu sehen. „Die Schere zwischen den stetig steigenden Personal- und Betriebskosten und dem konstant gebliebenen Budget von 2,5 Millionen Euro öffnet sich leider immer weiter“, begründet Sievernich die Entscheidung. Dies habe auch Auswirkungen auf die Zahl der Ausstellungen und die langfristige Planung. „Was wir vor fünf Jahren noch stemmen und weit im Voraus planen konnten, ist heute einfach nicht mehr drin“, sagt Sievernich. Besonders die Risiken für große Ausstellungen namhafter internationaler Künstler seien oft zu hoch.

Auch die Staatlichen Museen zu Berlin sind mit den Besucherzahlen in den Abendstunden nicht zufrieden – obwohl sie dank des stetig wachsenden touristischen Ansturms auf die Museumsinsel mit insgesamt rund fünf Millionen Besuchern jährlich zu den großen Gewinnern des allgemeinen Museumsbooms zählen. Im Herbst 2010 wurde dennoch zunächst der lange Donnerstagabend gestrichen, zuvor hatten Besucher an diesem Wochentag zwischen 18 und 22 Uhr freien Eintritt. „Das wurde aber zu wenig nachgefragt. Und auch die derzeitigen Spätöffnungszeiten zum Beispiel im Pergamonmuseum lohnen sich eigentlich nicht“, sagt Christoffer Richartz, Abteilungsleiter der Besucher-Dienste. Daher denke man ebenfalls über Verkürzungen nach. „Bisher gab es den Trend, Öffnungszeiten immer weiter auszudehnen. Doch vernünftige, am tatsächlichen Bedarf orientierte Änderungen sind in Zukunft wohl überall unumgänglich“, sagt Richartz. Nach wie vor gingen die meisten Besucher nämlich am liebsten morgens und vormittags ins Museum.

Noch größere Sorgen hat das Haus am Waldsee in Zehlendorf, dessen Ausstellungen in Berlin lebender, international durchgesetzter Künstlern jährlich bis zu 40 000 Besucher sehen. „Wir sind ratlos. Im äußersten Fall müssen wir nach Ostern schließen“, sagt Museumsleiterin Katja Blomberg. Im Oktober hatte der Senat die Regelung gekippt, dass das Kassen- und Aufsichtspersonal in dem halb privatisierten Haus aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gestellt werden darf. Inzwischen musste das Haus vier Mitarbeiter fest anstellen und aus eigener Tasche bezahlen. Und das, obwohl der gemeinnützige Trägerverein kein Kapital ansammeln darf und alle Einnahmen in Projekte fließen. „Bereits die jährliche Zuwendung vom Bezirk ist um 50 000 Euro zu gering. Wenn wir nun zusätzlich die Personalmittel selbst aufbringen müssen, sind wir am Ende der Fahnenstange angelangt“, sagt Blomberg, die sich beim Senat um eine zweite Zuwendungsschiene bemüht.

Generell ist man hier wie auch in anderen Häusern, die am Rand der Stadt liegen, zwar durchaus mit den Besucherzahlen zufrieden. Wie viel ein attraktiver Standort aber letztendlich ausmachen kann, hat der Leiter des Museums Neukölln, Udo Gösswald, erlebt: Seit dem Umzug aus der Ganghoferstraße auf den ehemaligen Gutshof Britz vor anderthalb Jahren haben sich die Besucherzahlen mehr als verdoppelt. Nicht zuletzt, weil am neuen Standort eine Musikschule und ein Freilichtmuseum locken. „Das potenziert sich“, sagt Gösswald, der jetzt auch soziale Netzwerke wie Twitter als Werbeinstrument nutzt. Doch Personalsorgen hat er ebenfalls: „Kleinere Häuser wie wir können sich kein qualifiziertes Fachpersonal leisten“, sagt der Museumsleiter. Doch gerade dies sei wichtig. Besonders dort, wo vermehrt Berliner und Bewohner aus dem Kiez sowie Schulklassen und Jugendgruppen angesprochen werden sollen. Ein Ziel, das man auch im Bezirksmuseum Charlottenburg-Wilmersdorf in Zukunft stärker verfolgen will. Am 24. Januar eröffnet das Museum an seinem neuen Standort, der Villa Oppenheim. „Wir können jetzt nicht mehr so stark wie bisher vom touristischen Umfeld am Schloss Charlottenburg profitieren“, sagt Leiterin Birgit Jochens. Daher wolle sie die museumspädagogische Arbeit deutlich ausweiten.

Mit solch einem Konzept hat die Berlinische Galerie bereits Erfahrungen gemacht. Sie liegt in der Alten Jakobstraße in Kreuzberg außerhalb des direkten Einflussgebietes der Museumsinsel und zählte 2011 dennoch 130 000 Besucher. „Wir verzeichnen einen Zuwachs von fast 100 Prozent in der Bildungsarbeit“, sagt Pressereferentin Diana Brinkmeyer. Und so würden immer mehr Museen ihren Bildungsauftrag wiederentdecken.

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