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Ahmed (17), Walid (14) und Kadir (17) haben selbst geräumt, gesägt und geschraubt, um ihren Jugendclub zu bauen. Nun ist der „Blockpark 447“ eine kiezbekannte Anlaufstelle für alle Jugendlichen aus Buckow.

© Sönke Matschurek

Update

Solidarisches Miteinander in Berlin-Buckow: Neuköllner Jugendliche gewinnen Deutschen Kinder- und Jugendpreis

Wo Kinder und Jugendliche nicht mitgedacht werden, ermächtigen sie sich selbst: Zwei Berliner Initiativen wurden mit dem Jugendpreis des Kinderhilfswerks ausgezeichnet.

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Demokratie übt sich früh: Jedes Jahr ehrt das Deutsche Kinderhilfswerk besondere Projekte mit dem Deutschen Kinder- und Jugendpreis. Unter den sechs Finalisten befanden sich 2023 zwei Berliner Initiativen: Fünftklässler der Halensee-Grundschule in Charlottenburg, die sich für eine temporäre Spielstraße einsetzen, und der „Blockpark 447“ in Buckow, wo Jugendliche auf einem verlassenen Parkplatz eigenhändig einen Jugendclub aus Holz und Containern gebaut haben. Der Blockpark 447 hat nun in der Kategorie „Solidarisches Miteinander“ den ersten Preis erhalten, der mit 6000 Euro dotiert ist. Die Halensee-Schüler bekamen eine „lobende Erwähnung“ in der Kategorie „Politisches Engagement“ – und immerhin 3000 Euro.

Zur Preisverleihung wurden alle Projekte in den Europapark eingeladen, vergeben wurden insgesamt 30.000 Euro Preisgeld. Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, erklärt: „Mit dem Preis zeichnen wir das Engagement von Kindern und Jugendlichen für ihre eigenen Rechte oder die Rechte anderer aus.“ Wir stellen die beiden Berliner Projekte vor.

„Blockpark 447“: Vom Nicht-Ort zum Pop-up-Wohnzimmer

Noch vor drei Jahren lockte der vollgemüllte Parkplatz eines längst geschlossenen Supermarktes in Ringsleben nur Dealer und Druffis an. Heute beherbergt der ehemalige Parkplatz im Mollnerweg im Neuköllner Ortsteil Buckow ein Jugendzentrum mit Tonstudio, Kiosk, einer weitläufigen Landschaft aus selbst gezimmerten Holzelementen und einer Vielzahl gemütlicher Sofas. Mit unermüdlicher Tatkraft und in Eigenregie transformierten die Jugendlichen des Kiezes die Brachfläche zwischen den Hochhäusern von einem Nicht-Ort zu einem Pop-up-Wohnzimmer.

Einen Treffpunkt für Jugendliche gab es in Ringsleben nämlich schon seit Jahren nicht mehr. „Wir hatten nur die Straße“, beschreibt der 17-jährige Ahmed die Davor-Zeit. Und „draußen“ war es damals leicht, in dem strukturschwachen Stadtteil in Schwierigkeiten zu geraten. Heute, sagt Ahmed, sei der Blockpark 447 wie ein zweites Zuhause. 44, das steht für Neukölln, und 47 für Buckow. Die Ziffernfolge ziert das farbenfrohe Jugendzentrum in einem eigens entworfenen Logo.

Alles an diesem Ort ist selbst gemacht. Die Aufräumarbeiten begannen vor zwei Jahren: Gemeinsam mit dem Kulturnetzwerk Neukölln sammelten die Jugendlichen säckeweise Müll und säuberten die verwahrloste Fläche. Mit ortsansässigen Tischlern schreinerten und zimmerten die Teenager Emporen, Bühnen und Pavillons aus Holz – und lernten nicht nur den Umgang mit Bohrmaschinen, sondern auch Teamarbeit und Freude an Kreativität.

Jedes Mal, wenn ich an diesen Ort komme, finde ich krass, was wir geschafft haben.

Samantha (16) über den „Blockpark 447“ in Berlin-Buckow

Herzstück des Jugendtreffs sind vier verbundene Metallcontainer, die die Jugendlichen ausgebaut haben. Im eigenen Tonstudio veranstaltet ein lokaler Producer einmal in der Woche Musikworkshops. Regelmäßig werden Filmabende, Konzerte und Tanzworkshops organisiert, erzählt die 16-jährige Samantha. Im Sommer füllen sie den Swimmingpool mit Wasser, einmal wurde sogar ein Boxring aufgebaut.

Samantha erinnert sich mit Gänsehaut an das Halloweenfest, das die Jugendlichen selbst organisierten. „Der Vibe war unbeschreiblich. Jedes Mal, wenn ich an diesen Ort komme, finde ich krass, was wir geschafft haben“, sagt sie und klopft auf den Tisch, den sie selbst gebaut hat.

„Die Empathie und das Zusammenleben, das man hier erlebt, das lernt man nicht in der Schule“, fügt Ahmed hinzu. Früher habe es öfter mal Stress gegeben mit Jungs aus anderen Kiezen. Inzwischen trifft man sich lieber auf den Couches im Blockpark, spielt Karten, organisiert die nächste Bauaktion. Ideen gibt es genug. Für den Sommer wollen die Jugendlichen Beete bauen und bepflanzen, getreu ihrem Motto: „Wir bringen Ringsleben zum Leben.

Die Fünftklässler der Halensee-Grundschule in Charlottenburg kämpfen für eine temporäre Spielstraße nahe ihrer Schule. „Manchmal haben wir das Gefühl, dass die Erwachsenen uns nicht ernst nehmen“, sagen sie. „Dann muss man lauter und nerviger werden.“

© Foto: Sönke Matschurek/Tagesspiegel

Das zweite ausgezeichnete Projekt: Eine Spielstraße am Ku’damm

Die zehnjährige Mia von der Halensee-Grundschule in Charlottenburg findet es unfair, dass es am Ku’damm mehr Parkplätze als Spielplätze gibt. Darum setzt sie sich mit anderen Fünftklässlern der Schule für die Etablierung einer temporären Spielstraße ohne Autoverkehr in der Nestorstraße ein. An fünf aufeinanderfolgenden Mittwochen im Juni soll dort das Auto weichen und den Kindern Platz machen. Für vier Stunden soll der Straßenabschnitt zum Teerstadion für Fußballspiele werden, zur Asphaltarena fürs Skaten und Rollerfahren, zur Leinwand für Kreidekünstler.

Mia (10) aus der Halensee-Grundschule findet es „unfair, dass es mehr Parkplätze gibt als Spielstraßen“.

© Foto: Sönke Matschurek/Tagesspiegel

Einen entsprechenden Antrag haben die Schüler bei der Bezirksverordnetenversammlung eingereicht. Doch sie haben Grund zur Skepsis: Bereits im vergangenen Jahr organisierten die Jugendlichen eine Spielstraße und hatten schon allerlei Material und Spielzeug besorgt, Flyer verteilt und Termine verkündet. Doch eine Woche vorher untersagte das zuständige Bauamt die Aktion. „Die Ausrede war, dass in der Straße eine Baustelle sein sollte“, erinnert sich Jara.

Jara (11) ist Schülerin der Halensee-Grundschule und versuchte vergangenes Jahr erfolglos, eine Spielstraße zu etablieren. Eine Woche vor der geplanten Eröffnung machte das Bauamt den Schülern einen Strich durch die Rechnung.

© Foto: Sönke Matschurek/Tagesspiegel

„Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Erwachsenen und die Politiker uns nicht so richtig wahrnehmen“, sagt der zehnjährige Samuel. Zu entmutigen scheint ihn das nicht: „Dann muss man einfach lauter und nerviger werden.“ Gegen die kurzfristige Absage ihrer Spielstraße protestierten die Schüler mit einem überdimensionierten, knallroten Wutbrief an den Stadtrat – und schafften es damit sogar ins Fernsehen.

Samuel (10) ist frustriert darüber, wie kinderfeindlich einige Erwachsene im Bezug auf die Spielstraße sind.

© Tagesspiegel/Sönke Matschurek

An der designierten Spielstraße mussten sie schicksalsergeben Plakate aufhängen, auf denen stand: „Die Autos haben leider gewonnen. Wir sind sehr traurig darüber.“ Dieses Jahr versuchen sie es erneut – und haben darauf geachtet, dass keine Baustelle in der Nähe ist.

Die Ungewissheit, ob ihr Ansinnen Erfolg hat, ist nicht immer einfach. Dennoch treffen sich die Fünftklässler Woche für Woche, um das Projekt voranzutreiben. „Manchmal hätte ich mehr Lust, zu Hause zu sein“, sagt Celina, die auch zehn Jahre alt ist. „Aber dann denke ich daran, dass ich damit anderen Kindern helfen kann.“ Diese Beharrlichkeit und den Einsatz für andere hob auch das Kinderhilfswerk in der Laudatio zur Nominierung hervor.

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