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Potenzial nach oben. Sechs Maßkrüge sind schon mal nicht schlecht. Allerdings gibt es Kellner auf dem Münchner Oktoberfest, die sogar 15 Gläser stemmen.

© Thilo Rückeis

Maß halten: Am Alex steht ein Hofbräuhaus

Mit Humtata und Fassanstich öffnete das Hofbräuhaus nahe dem Alexanderplatz in Berlin - das angeblich größte bayerische Gasthaus Europas.

Reichlich hundert Gäste sitzen schon drin an diesem Vormittag, das ist kein schlechter Anfang für ein Gasthaus, das erst ein paar Stunden später überhaupt offiziell öffnet. Und es wird auch schon gegessen und ein wenig gsuffa, wenn auch die Musik zu dieser Stunde noch aus der Konserve kommt und die riesengroßen Lücken zwischen den Schultern jegliches Schunkeln unmöglich machen.

Doch bitte, das Münchener Hofbräuhaus ist ja auch nicht in den ersten Minuten zur internationalen Legende geworden, daran muss hart und ausdauernd gefeilt werden, und dieser Vorgang hat nun am gestrigen Vormittag im „Hofbräu“ am Alexanderplatz begonnen, dem angeblich größten bayerischen Gasthaus Europas. Wobei „am Alexanderplatz“ reine Schönfärberei ist, denn das würfelförmige Gebäude duckt sich am Rande der sterilen Karl-Liebknecht-Straße zwischen zwei Hochhäusern, nimmt also eine Position ein, die kaufmännisch absolut wahnsinnig wirkt, zumal, wenn die Zielgruppe aus Touristen besteht. Doch etwas so Großes wird vermutlich nicht zu übersehen sein.

Plattlplatte. Das Hofbräuhaus zog in einen Bau aus DDR-Zeit.
Plattlplatte. Das Hofbräuhaus zog in einen Bau aus DDR-Zeit.

© dapd

An diesem Mittag sind die Präzisionsbesucher da, eine neue Spezies, die nichts dem Zufall überlässt und daher die Örtlichkeit schon im Internet ausgekundschaftet hat. So entspinnt sich zwischen dem Berliner Ehepaar und dem lederbehosten Kellner ein Dialog darüber, ob es das Gedeck mit Weißwurst, Brezn und einer Maß nun zum Sonderpreis gibt (Ehepaar) oder nicht (Kellner). Ja, sagt der Kellner, er habe auch schon davon gehört, dass da im Internet das eine oder andere Falsche steht, und der Ehemann entgegnet, das sei ihm egal, wenn es doch im Internet...

Es ist also ein harter Einstieg vor allem fürs Personal, das zwar die bayerische Amtstracht mit Stolz trägt, aber noch allerhand Reibungsverluste zu überwinden hat; das sachgerechte Heranschleppen der Maßkrüge gelingt schon recht ansehnlich. Unter den Füßen der Kellner liegt dunkles Parkett, insgesamt zwei Kilometer Bierbänke für 2500 Gäste – schunkeldicht gepackt – stehen drunten im Saal und in den beiden Geschossen drüber, und ein Sattelschlepper hat 20 Tonnen bayerische Dekoration entladen, die nun den Gast umfriedet, Bilder vom Engel Aloysius, allerhand weiß-blauer Zierat, was man in solchen Häusern eben erwartet. Den Rest der Gemütlichkeit liefert die Musi, das allfällige Buam-Madl-hamma-gsuffa-Konzentrat, das auch ohne Alkohol im Kopf jene lähmende Leere entstehen lässt, die für einen typischen Hofbräuabend typisch ist.

Das ledert. Ein Prosit auf die weiß-blaue Gemütlichkeit.
Das ledert. Ein Prosit auf die weiß-blaue Gemütlichkeit.

© Thilo Rückeis

Für den Fassanstich zur Eröffnung am Freitagabend hatte sich Geschäftsführer Björn Schwarz die Dienste von Sr. Allgegegenwart Alfons Schuhbeck gesichert, der ja die bayerischen Belange in die Welt trägt, als gäbe es dort nichts anderes mehr. Mithin wird man also annehmen dürfen, dass Berlin nun vom „Hofbräu“ ausgehend dieser Welt demonstriert, wie man das weiß-blaue Erbe kaufmännisch richtig auslastet. Die Weltmeisterschaft im Weißwurstzuzeln steht unmittelbar bevor, es wird gejodelt und geschuhplattlt und ins Alphorn geblasen werden, bis der Kini kommt oder die „Original Hofbräuhaus Showband“ erschöpft die Instrumente fallen lässt. Ja, Buam: Wer wollte da noch nach München weiterreisen?

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