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Kolumne: Auch erkältet?!

Krank werden ist nie eine gute Idee. Doch es gibt offenbar keinen schlechteren Zeitpunkt dafür als jetzt, Anfang Januar 2009. Denn jetzt sind einfach alle erkältet. Die Viren sind überall, dank hustender und niesender Mitmenschen kleben sie an Tastaturen, Türklinken oder in der Bahn und warten auf uns. Doch es gibt wesentlich mehr Dinge, die wir im Kampf gegen die Erreger falsch machen können als einfach nur krank zu werden.

Nase putzen im Akkord, eine Stimme wie die Schwestern von Marge Simpson, Halsweh und dazu Sprechverbot: Sie haben auch mich erwischt, die Viren, und feiern seither ausschweifend eine Party in meinen Atemwegen. Nach vier Tagen Bettruhe und wenig Besserung machte ich mich wieder auf den Weg zum Arzt - und bekam das ganze Ausmaß der Virenherrschaft in Berlin vor Augen geführt. Mich erwartete das Grauen. Die sonst so fröhliche Sprechstundenhilfe kam mir mit fuchtelnden Armen entgegen: "Nein Frau Weneit, es geht erst um 15 Uhr weiter, sie müssen noch mal wiederkommen." In fast vier Stunden! Ich kam mir ziemlich dämlich vor, eine Stunde, bevor die morgendliche Sprechstunde endet, beim Arzt aufzutauchen - ich hätte es wissen müssen. Sind doch Krisenzeiten. Um ihrem energischen Satz noch mehr Wirkung zu verleihen, verschränkte sie die Arme zu einem X.

Vielleicht verstehen einige Kranke nur noch Flughafen-Zeichensprache. Aber ich verstand auch so. In der Praxis verteilte sich ganz Friedrichshain. Ein Stillleben für "Überfüllung". Zu allem Überfluss war offensichtlich nicht nur mein ganzer Bezirk krank und in diese Praxis gekommen, sondern auch meine Ärztin lag krank im Bett, so dass ihr Mann den Laden alleine schmiss.

Zweiter Versuch - früher kommen

Für die Nachmittags-Sprechstunde hatte ich dann aber gelernt, haha. Rund zehn Minuten vor der Praxisöffnung stand ich vor der Tür. Kälte - egal. Das zufriedene Überlegenheitsgefühl sollte mich wärmen. Wenn ich schon ein zweites Mal raus musste, dann doch wenigstens möglichst kurz. Doch ich war nicht allein mit meiner Idee. Ein Mann mit Aktentasche hatte sich bereits genau vor dem Eingang platziert. Ein paar Schritte weiter stand eine junge Frau. Wir teilten unsere Überlegenheit mit einem Lächeln. Plötzlich tauchte der Junge neben mir auf, den ich eine Straße vorher noch so energisch überholt hatte - schniefend und hustend. Während wir da so standen, kamen sie aus allen Richtungen, die Kranken von Friedrichshain. Wenige Minuten später lungerten wir zu acht vor der Praxis herum. Stets einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter zwischen uns wahrend - ich war ja schon krank genug, wer weiß, was bei denen noch so im Hals steckte.

Die Öffnung rückte immer näher und angespannte Nervosität machte sich breit – jeder wollte zuerst seine Versichertenkarte einscannen lassen. Instinktiv rückten alle näher zum Eingang, mit kleinen Tippelschritten (fällt nicht so auf) und argwöhnischem Blick. Jemanden vorzulassen kam auch für mich überhaupt nicht in Frage. Wehe, jemand drohte meinen Plan "ich-komme-früher-und-gehe-früher-harhar" zunichte zu machen. Ja, ich war erbärmlich. Oder einfach menschlich?

"Meine Chipkarte zuerst!"

Der Junge - ungefähr 14 Jahre alt, Seitenscheitel, schicke Alternativklamotten, wahrscheinlich Akademikerkind - stand inzwischen unbeeindruckt vor dem Mann mit der Aktentasche. Dann ging das schützende Gitter vor der Eingangstür hoch und alles plötzlich ganz schnell: Die kleine Rotzgöre hatte es geschafft, als erster am Tresen zu stehen. Ich war auch nicht untätig und hielt gekonnt meinen dritten Platz in der Schlange - wäre doch gelacht. Unterdessen strömten noch mehr vermummte Menschen in die Praxis. Eine halbe Stunde später bot sich das gleiche Bild wie am Vormittag: Überfüllung.

Während ich von meinem Stuhl auf die Sprechzimmertür starrte und beschwörend "öffne dich" murmelte, geschah das Unglaubliche: Als Dritte wurde ich aufgerufen, noch vor 16 Uhr war ich raus aus der Praxis. Rekord.

Wermutstropfen: Mal abgesehen von der Krankschreibung hatte ich nichts weiter in der Hand gegen die Virenparty in Hals, Nase, Stirn und Ohren. Stattdessen musste ich mir anhören, dass das mir empfohlene rezeptfreie Medikament diese Drecksviren und Keime nicht einmal tötet. Aber umsteigen auf ein pflanzliches Präparat mit ähterischen Ölen wäre jetzt schon zu spät. „Nehmen Sie das jetzt mal weiter, dauert nur länger mit dem Gesundwerden“ dröhnte mir der Arzt noch im Ohr, als ich nach Hause stiefelte. Hätte ich mal Medizin studiert und einen Medikamentenvorrat angehäuft. Die Apotheke war nämlich fast leergekauft, die Reste bekam ich. Ohne Verpackung.

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