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Charlottenburg: Kino Kurbel: Zum letzten Mal "Vom Winde verweht"

Am Mittwochabend lief die letzte Vorstellung in der Kurbel. Eine Initiative kämpft weiter um den Erhalt des Charlottenburger Traditions-Kinos, in das ein Biomarkt einziehen soll.

Ein letztes Mal Popcorn essen, ein letztes Mal im winzigen Foyer der „Kurbel“ ein Bier trinken. Alle 346 Plätze des großen Saals waren am Mittwochabend ausverkauft, als „Vom Winde verweht“ anlief. Tränen flossen nicht nur wegen der Liebesgeschichte um Rhett Butler und Scarlett O’Hara. Es war die letzte Vorstellung im Kino in der Giesebrechtstraße in Charlottenburg, nach 77 Jahren ist Schluss.

„Die Kurbel ist meine Jugend“, sagt Christine P., 66, traurig. Über dem Kino wohnt Nannette Schroedter. „Meine Mutter hat „Vom Winde verweht“ schon 1953 angeguckt und für Tickets bis zum Olivaer Platz angestanden“, sagt sie. Der Busfahrer habe die Haltestelle am Olivaer Platz in „Vom Winde verweht“ umgetauft. Ab 1953 lief das amerikanische Bürgerkriegsepos hier 28 Monate lang. Auch Detlef Buck („Rubbeldiekatz“) kam vorbeigeradelt. „Die Kurbel hatte Charakter“, sagt er. Erika Glitza hat den Film bereits am Mittag gesehen. Die Kurbel war in den 50er Jahren ihr erster Arbeitsplatz, doch die zwei Mark Eintritt seien Luxus gewesen bei einem Stundenlohn von 85 Pfennig.

Nach der Sanierung soll im Frühjahr 2013 der Biomarkt Alnatura einziehen, darüber kommen Mietwohnungen. Vor Filmbeginn überreichte die Initiative „Rettet die Kurbel“ Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) über 7500 Unterschriften von Kurbel-Fans. Naumann will sie an den Eigentümer weitergeben. „Es ist bedauerlich“, sagt Naumann.

„Alnatura wird im Kiez keinen leichten Stand haben“, kündigte Stefan Lukschy von der Initiative an. Man wolle es dem Nachnutzer schwer machen. Lukschy erhofft sich Unterstützung von einer weiteren Initiative, die den Platz ums Kino zu einer verkehrsberuhigten Zone machen wolle. So könne den Lastwagen die Lieferung erschwert werden. Zudem soll gegen die Genehmigung für den Umbau des Gebäudes vorgegangen werden.

Eigentümer Symcha Karolinski fühlt sich von der Initiative, die vom Medienboard Berlin-Brandenburg und Prominenten wie Berlinale-Chef Dieter Kosslick unterstützt wird, genötigt und hat Anzeige erstattet. „Das sind Biedermänner als Brandstifter“, sagt er. Die drei Interessenten, die laut Initiative die Kurbel weiterbetreiben wollten, könnten „nicht die nötige Bonität aufweisen“. Als er das Kino vor drei Jahren angeboten habe, hätten alle „dankend abgelehnt“. Das von Naumann geforderte Moratorium für die Sanierung lehnt Karolinski mit Verweis auf Verträge mit Baufirmen ab. Allerdings: Wenn das Bezirksamt die Räume zu „marktüblichen Preisen“ mieten und dann weitervermieten wolle, müsse es schnell auf ihn zukommen. Dann aber müsste der Bezirk das Kino subventionieren, was Stadtrat Marc Schulte (SPD) als „nicht realistisch“ bezeichnete.

Unterdessen schieben sich die Beteiligten gegenseitig die Schuld zu. Karolinski sagt, die Unterstützer seien selbst nicht ins Kino gegangen. Die Initiative wiederum fordert von Alnatura, das Kino zu erhalten. Das Unternehmen wiederum erklärte erneut, man würde zurücktreten, wenn sich ein Betreiber finde, werde aber nicht aus dem Vertrag gelassen. Auch wenn die Kurbel nun geschlossen wird, dürfte das Drama um das alte Kino filmreif weitergehen.

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