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Remziye Ünal folgte ihrer Mutter am 21. Oktober 1968 nach Deutschland. Bis 2009 leitete sie in Berlin ein Projekt für Migrantinnen, die sich Selbstständig machen wollen.

© Ute Langkafel, MAIFOTO

Migration: Ausstellung dokumentiert den Aufbruch in die Ungewissheit

Das August-Bebel-Institut zeigt ab Freitag die Geschichte von 15 Arbeitsmigrantinnen der ersten Generation. Die Bilder und Texte dokumentieren ein Stück deutsche Geschichte, über das viel zu wenig bekannt ist.

Für ihren ersten Arbeitstag in Deutschland macht sich die junge Frau aus Izmir akribisch zurecht. Sie kauft Kleider, geht zum Frisör, Maniküre, Pediküre. Als sie dann zum ersten Mal die Fabrik in Nürnberg betritt, ist sie schockiert. Der hässliche Kittel und die Plastikhaube über den frischfrisierten Haaren treiben ihr die Schamesröte ins Gesicht. "Ich hatte das Gefühl, dass die gesamte Türkei auf mich nieder blickte, mich in dieser scheußlichen Kluft sehen konnte", beschreibt Gülseren Çelik ihre Gefühle am ersten Arbeitstag in einer deutschen Eis- und Kuchenfabrik.

Çelik ist eine von 15 Migrantinnen der ersten Generation, die in der Ausstellung "22:14 ... und es kamen Frauen" porträtiert werden. Der Titel lehnt sich an das berühmte Zitat des Schriftstellers Max Frisch an, der die Mjgrationspolitik im Zusammenhang mit dem Wirtschaftswunder kritisiert hatte. Er sagte: "Wir riefen Arbeiter und es kamen Menschen". Der Ausstellungstitel verweist zudem darauf, dass sich alle Frauen, die von der Fotografin Ute Langkafel abgebildet und von dem Berliner Journalisten Murat Tosun einfühlsam beschrieben werden, genau an ihre Ankunft in Deutschland erinnern können. Datum und Uhrzeit sind für die Frauen zu einer Chiffre des Aufbruchs ins Ungewisse und ihre Ankunft in einer zweiten Heimat geworden.

"Viel zu Wenige wissen, dass ein Drittel der Arbeitsmigranten Frauen waren. Das war in unseren Augen zu wenig bekannt. Das wollten wir nochmal nach außen vermitteln", sagt Gabriele Gün Tank, Kuratorin der Ausstellung und Integrationsbeauftragte des Bezirks Tempelhof-Schöneberg.  Die Idee zu "Und es kamen Frauen" ging aus dem Kontakt mit dem Nachbarschaftstreffpunkt Huzur hervor. Huzur ist eine Freizeitstätte, in der sich in erster Linie ältere Frauen interkultureller Herkünfte treffen. "Als wir mit den Frauen gesprochen haben und die ihre Geschichten erzählt haben", sagt Gabriele Gün Tank, "da haben wir gedacht, diese Geschichten müssten nicht nur wir hören, sondern auch andere".

Die Biografien der Frauen, die meisten von ihnen stammen aus der Türkei, zeigen die vielfältigen Beweggründe, die die Einwanderinnen dazu veranlasst haben, nach Deutschland zu kommen. Für einige, wie zum Beispiel Gülseren Çelik, ging es darum, ihren Kindern in der Bundesrepublik eine gute Hochschulausbildung zu ermöglichen. Andere wiederum waren neugierig auf die großen Metropolen Westeuropas und sahen eine Möglichkeit zu reisen, indem sie sich in der Fabrik das notwendige Geld dazu verdienten. Für manche war der Weg nach Deutschland eine Flucht und Befreiung aus Lebensumständen, die wirtschaftlich oder psychisch unerträglich geworden waren.

Ingo Siebert, der Geschäftsführer des August Bebel Instituts ist begeistert von dem Konzept der Ausstellung, weil die Fotografien von Ute Langkafel und die Texte Murat Tosuns einen emotional anpackten und dazu auch viele Fakten vermittelt würden. "Als Bildungsstätte", sagt er, brauchen wir diese Bilder und Erzählungen, um Berliner Stadtgeschichte darstellen zu können". 

Eröffnung: Freitag, 27. Mai 2011, 18:30, Galerie des August Bebel Instituts, Müllerstraße 163, Berlin-Wedding. Nähere Informationen zum Begleitprogramm und den Öffnungszeiten der Ausstellung unter www.august-bebel-institut.de

Michael Götting

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