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Berlin: Start ohne Landung

Das Raumfahrtzentrum für Kinder im FEZ hat nach dem Columbia-Unglück sein Programm geändert – und gedenkt der toten Astronauten

Nein, der kleine Marco will keinesfalls Astronaut werden. „Zu gefährlich“, sagt der Neunjährige, während er die Raumfahrer-Utensilien in den Vitrinen ringsum betrachtet. „Ich mag schon nicht mit dem Flugzeug fliegen. Und ins Weltall ist es ja noch viel weiter.“ Die anderen Kinder nicken.

Im neuen „Orbitall“ im Freizeitzentrum Wuhlheide (FEZ) herrscht Gedränge wie an jedem Wochenende, aber Nachwuchs-Astronauten sind an diesem Sonntagnachmittag nicht dabei. Die meisten Kinder stürzen sich gleich auf die Computer-Terminals und klicken sich durch Satellitenbilder. Nur Marco und seine Freundin Linda bleiben lange vor dem Modell der Raumfähre „Atlantis“ stehen, die der am Sonnabend verunglückten „Columbia“ gleicht. Daneben haben die FEZ-Leute ein großes Farbfoto aufgestellt, von dem die sieben Astronauten lachen. „Wir gedenken der Besatzung des Shuttles Columbia“, steht über dem Bild. „Stell dir mal vor: nur eine Viertelstunde vor der Landung“, sagt die zehnjährige Linda.

„Eigentlich komisch“, sagt Orbitall-Mitarbeiter Martin Hartmann, „mich hat noch keiner auf den Absturz angesprochen. Vielleicht wollen die Leute sich ihre Begeisterung erhalten und verdrängen lieber, was alles passieren kann.“ Seine Kollegin Antje Gräfe sagt: „Die Eltern sehen das Bild, erklären es ihren Kindern – das war’s.“ Sie wollten ohnehin heute kommen, versichern die Mütter und Väter, die mit ihren Kindern vom Informationszentrum durch Schleuse und Trainingsraum bis ins nachgebaute ISS-Modul gehen.

Gerd Schnitt bittet ins Raumschiff. Eine blau beleuchtete Wendeltreppe führt ins mit Knöpfen und Bildschirmen vollgestopfte Modul. „Ihr wisst ja bestimmt, gestern ist was Schlimmes passiert“, sagt Schnitt zur Begrüßung. „Wer weiß es?“ Fast alle melden sich: „Eine Rakete ist abgestürzt.“ Schnitt nickt und fragt: „Okay, wollen wir losfliegen?“ Nach einem zarten Ja der Kinder beginnen die Monitore zu flimmern, ein Mann zählt auf Französisch den Countdown, mit gewaltigem Feuerstrahl hebt die Ariane-Trägerrakete ab. Dann gibt es Bilder aus dem Weltall: ein Wirbelsturm, die Ölspur der „Prestige“, Regenwälder, Ozonloch, die ISS.

„Ganz rechts an der Station seht ihr die kleine Kapsel, mit der die Astronauten im Notfall zurückfliegen können“, sagt Gerd Schnitt. Und dann, mehr zu sich selbst: „Hoffen wir, dass sie die nicht brauchen werden. Ihre Versorgung ist wohl bis Juli gesichert.“ Die Stimme im Film kündigt den Rückflug an, Schnitt drückt auf Stop: „Mit der Landung, das lassen wir heute, weil noch so viele andere Kinder draußen warten.“

Als die Gäste gegangen sind, sagt er: „Der Andrang ist wirklich riesig. Aber die Landung lassen wir weg, weil da im Zusammenhang mit Columbia so viele Fragen dranhängen, die wir heute noch nicht beantworten können. Vielleicht morgen oder in ein paar Tagen.“ Gerd Schnitt sorgt sich um die Zukunft der Raumfahrtindustrie. Denn die hat auch das 600 000 Euro teure Raumfahrtzentrum im FEZ gesponsert. Jetzt dürfte sie andere Sorgen haben und die Kinder aus den Augen verlieren, fürchtet FEZ-Astronaut Schnitt.

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