Berlin: Start zum Großflughafen
Am Dienstag beginnt der Bau des größten Infrastrukturprojekts der Region. Elf Fragen und Antworten. Von Klaus Kurpjuweit
Warum wird ein neuer Flughafen gebaut?
Nach der Wende wollte der Senat die Chance nutzen, die innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof durch einen Flughafen außerhalb der Stadt zu ersetzen. Zunächst träumte der damalige Chef der Lufthansa, Heinz Ruhnau, davon, hier ein neues Drehkreuz zu schaffen – mit vier Start- und Landebahnen und einer Kapazität von 60 Millionen Passagieren im Jahr. Auf den vorgesehenen Zwischenausbau des bisherigen Flughafens Schönefeld verzichteten die Planer deshalb.
Wie kam es zum Standort Schönefeld?
Diese Frage möchte heute keiner der Beteiligten mehr beantworten. Für den geplanten Großflughafen standen am Ende das knapp 50 Kilometer von Berlin entfernte Sperenberg und das 20 Kilometer vom Zentrum liegende Schönefeld zur Auswahl. Der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und der damalige Verkehrsminister Matthias Wissmann (beide CDU) setzten 1996 gegen den Willen des damaligen Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) schließlich Schönefeld durch.
Wer hat Vor- oder Nachteile?
Durch die Aufgabe des Flugbetriebes in der Stadt werden hunderttausende Bewohner vom Fluglärm entlastet. Rings um Schönefeld müssen die Anwohner dagegen mehr Lärm ertragen. Vor allem für Nordberliner wird der Weg zum Flughafen länger, wenn Tegel geschlossen ist. Geschäftsflieger sind ohne den Flughafen Tempelhof nicht mehr so schnell im Zentrum wie jetzt. Für die Flughafengesellschaft wird der Betrieb wirtschaftlicher, weil sie nur noch einen Airport betreibt.
Was wird gebaut?
Südlich der heutigen Startbahnen wird eine neue Piste mit 4000 Meter Länge gebaut. Die heutige Südbahn wird um 600 Meter auf 3600 Meter verlängert. Beide Bahnen können parallel genutzt werden. Zwischen den Bahnen entsteht der neue Abfertigungstrakt. Im Hauptgebäude, unter dem der Bahnhof liegt, befinden sich zentral der Eincheckbereich und die Sicherheitskontrollen sowie die Geschäfte. Für Billigfluglinien, die ihre Passagiere zu Fuß zu den Maschinen gehen lassen wollen, gibt es einen besonderen Trakt, der mit dem Hauptgebäude verbunden ist. Insgesamt soll es nach Angaben der Planer einen Flughafen der kurzen Wege geben.
Welche Einschränkungen gibt es?
Die Planer wollten einen 24-Stunden-Betrieb haben. Das Bundesverwaltungsgericht, vor dem rund 4000 Anwohner geklagt hatten, erließ jedoch ein „weitgehendes“ Nachtflugverbot zwischen 0 Uhr und 5 Uhr. Zwischen 22 Uhr und 24 Uhr sowie 5 Uhr und 6 Uhr ist „nur der Flugbetrieb unbedenklich, der sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht innerhalb des Tagzeitraumes abwickeln lässt“. Hier muss die Planfeststellungsbehörde nun nachbessern. Gegen den geänderten Beschluss kann erneut geklagt werden.
Ist der Flughafen zu groß geplant?
In der ersten Ausbaustufe sollen 22 bis 25 Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt werden können. Der Flughafen kann durch den Bau sogenannter Satelliten parallel zum Hauptgebäude für bis zu 40 Millionen Fluggäste erweitert werden. Zuletzt fertigten die drei Flughäfen Schönefeld, Tegel und Tempelhof zusammen 17 Millionen Passagiere ab. Nach den Prognosen soll es 2011/12 im Berlin-Verkehr 22 Millionen Fluggäste geben.
Hätte es Alternativen gegeben?
Die bereits in den 90er Jahren aufgegebene Planung, Schönefeld am bisherigen Standort auszubauen und durch einen kleineren Terminal zwischen den Startbahnen zu ergänzen, ist 2004 und 2006 erneut vorgeschlagen worden. Da bei diesem sogenannten Y-Modell auch auf den teuren unterirdischen Bahnhof verzichtet wird, würde der Ausbau nach Angaben der Befürworter eine Milliarde Euro billiger. Zwei getrennte Abfertigungsbereiche auf einem Flughafen würden den Betrieb jedoch unwirtschaftlich machen, argumentiert die Flughafengesellschaft. Zudem gebe es keine direkte Verbindung vom bestehenden Bahnhof Schönefeld zu den beiden Abfertigungsgebäuden. Nach den Prognosen soll aber rund die Hälfte der Passagiere mit Zügen zum Flughafen kommen. Deshalb hat die Flughafengesellschaft das Y-Modell verworfen.
Wie wird der Flughafen finanziert?
Der Flughafenbau soll etwa 2 Milliarden Euro kosten. Hinzu kommen die Zinsen für die Kredite. Von der Investitionssumme müssen rund 1, 13 Milliarden Euro bei den Banken aufgenommen werden. Der Bund, Berlin und Brandenburg steuern als Gesellschafter zusammen 430 Millionen Euro bei, die Flughafengesellschaft selbst muss aus ihrem laufenden Geschäft 440 Millionen Euro aufbringen. Hinzu kommen nach derzeitigem Stand 636 Millionen Euro für die Schienenanbindung, von denen der Bund 576 Millionen Euro übernimmt. Außerdem sollen weitere Investoren etwa 600 Millionen Euro in Projekte stecken, zum Beispiel in Büros, Hotels und Parkhäuser.
Werden Flüge durch den Neubau teuer?
Vor allem Billigflieger wie Easyjet befürchten, dass sich die Gebühren am neuen Flughafen verdoppeln und die Tickets damit teurer würden. Pläne, den Bau durch zusätzliche Passagiergebühren mitzufinanzieren, sind vom Tisch. Die Flughafengesellschaft betont, die Entwicklung der Gebühren lasse sich nicht vorhersagen. Derzeit sind die Gebühren in Schönefeld niedriger als in Tegel. Dass Gebühren durch einen Flughafenneubau nicht zwangsläufig steigen, hat München gezeigt. Beim Umzug von Riem zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen blieben sie unverändert und stiegen danach in den folgenden Jahren nur moderat, wie es in München heißt.
Wie kommt man zu neuen Flughafen?
Anfang 2008 soll die Autobahn vom Stadtring über Neukölln bis zum Berliner Außenring fertig sein. Von ihr zweigt später die Zufahrt zum neuen Terminal ab. Für den Schienenanschluss entsteht unter dem Abfertigungsgebäude ein Bahnhof für Fern- und Regionalzüge sowie für die S-Bahn. Ein Flughafenexpress soll alle 15 Minuten den Hauptbahnhof mit dem Flughafen verbinden – vorausgesetzt, die Dresdner Bahn durch Lichtenrade wird wieder aufgebaut. Sonst würde die Fahrt länger dauern.
Was passiert mit Tegel und Tempelhof?
Die innerstädtischen Flughäfen sollen geschlossen werden. Tempelhof bereits Ende Oktober 2007, Tegel ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme von BBI in Schönefeld. Für beide Flughäfen gibt es kein beschlossenes Nachnutzungskonzept.
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