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Mit Rauchtöpfen demonstrieren Beschäftigte der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)vor dem Roten Rathaus in Berlin.

© dpa/Michel Winde

Streik trotz Schlichtung: Der Tarifkonflikt im Berliner Nahverkehr wird immer bizarrer

Am Freitag scheiterten die Tarifverhandlungen zwischen BVG und Verdi, es drohte ein Dauerstreik. Dann einigten sich beide Seiten auf eine Schlichtung. Absurd ist: Verdi hält am Arbeitskampf fest.

Jörn Hasselmann
Ein Kommentar von Jörn Hasselmann

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Wochenlang ist die Berliner Politik abgetaucht, schwieg zu dem Konflikt, der sehr viele Berliner sehr beschäftigt. Am Dienstag keimte erstmals wieder Hoffnung. Verdi und die BVG verständigten sich auf eine Schlichtung. Sehr kräftig ist der Keim nicht: Am zweitägigen Warnstreik am Mittwoch und Donnerstag hält die Gewerkschaft fest.

Am Dienstag meldete sich der Regierende Bürgermeister zu Wort: Bevor die Schlichtung nicht stattgefunden habe, sei ein Streik doch unmöglich und gehe zu Lasten der Fahrgäste. Damit immerhin hat Kai Wegner den Nagel exakt getroffen.

Verdi hat den Bogen überspannt. Mit dem letzten Angebot der BVG würde ein Fahrer über 600 Euro mehr bekommen. Pro Monat. 4000 Euro für einen Anlernberuf? Nicht schlecht, sagen sich viele Berliner, ob Krankenschwester oder Kindergärtner. Sie haben eine Ausbildung oder ein Studium, sie bekommen weniger.

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Und Verdi? Die Gewerkschaft beharrt auf ihrer Maximalforderung aus dem Januar: in der Summe 30 Prozent Plus, 1000 Euro pro Monat für jeden mehr. Bei 16.600 Beschäftigten macht das für die BVG 250 Millionen im Jahr.

Als Verdi mit der Forderung im Januar ins Gefecht zog, dachten alle: Das kriegen die nie durch. Dass die Berliner Kassen leer sind, ist bekannt. Doch Verdi blieb knallhart kompromisslos: Auch das vierte, verbesserte Angebot der BVG wurde in die Tonne getreten.

Gewerkschaftsboss Jeremy Arndt verstieg sich in der vergangenen Woche auf einer Kundgebung vor dem Parlament zu der Forderung, dass die BVG Kompromissbereitschaft zeigen müsse. Für sich schloss er diese aus. Schon im Februar hatte Verdi einen unbefristeten „Erzwingungsstreik“ angekündigt, wenn die BVG nicht gibt, was Verdi will.

Das Unternehmen hat bereits Leistungskürzungen angekündigt, sollte Verdi sich durchsetzen. Weniger Busse, weniger Bahnen. Berlin nahm das stillschweigend zur Kenntnis, Protest blieb aus. Dies zeigt, wie schlecht die Stimmung in der Stadt ist, wie mürbe die Fahrgäste nach den vielen Warnstreiks.

Am Dienstag legte das Unternehmen nach: Es könnten künftig weitere Buslinien an Subunternehmer vergeben werden. Eine deutliche Ansage an Verdi. Deren Fahrer werden nicht nach dem BVG-Tarif bezahlt. Seit Jahren fahren private Firmen 20 Linien in der Stadt, die einzigen, die auch bei Streiks unterwegs sind.

Ein Schlichter soll sich nun der verfahrenen Lage annehmen. Dies ist der einzige verbliebene Weg. Denn eine Lösung gibt es nur, wenn beide Seiten nachgeben. Ob es dem Schlichter gelingt, Verdi auf den Boden der Realität zurückzuholen?

Groß ist die Hoffnung nicht. Dass Verdi den Warnstreik trotz der Verständigung auf die Schlichtung durchzieht, ist ein schlechtes Zeichen. Und am Mittwoch startet die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik. Eine Zustimmung der Mitglieder gilt als sicher.

Verdi hat angekündigt, wie die Schlichtung laufen wird: „Die Konditionen bestimmen wir.“

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