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Sportlich. Das Fußballstadion im Jahn-Sportpark.

© imago/Schöning

Streit um Berliner Jahn-Sportpark: „Jahn war kein Antisemit“

Der Historiker und Autor Gerd Steins ist gegen eine Umbenennung des Pankower Sportparks. Auch der Deutsche Turner-Bund protestiert.

Von Christian Hönicke

Herr Steins, der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark soll zum Inklusionssportpark werden. Der Bezirk Pankow fordert deshalb auf Antrag der Linksfraktion eine „kritische Überprüfung“ der Benennung. Darf die Anlage weiterhin nach Jahn heißen?

Selbstverständlich ja. Jahns Turnplatz in der Hasenheide, wo man ohne Ansehen von Herkunft, Stand, Einkommen, Religion, Kleidung und körperlichem Können mitmachen konnte, war der erste „inklusive Sportplatz“ – also ist die Benennung nach Jahn nicht zu bekritteln.

Er sei ein „Chauvinist“ und „bekennender Antisemit“ gewesen, sagen seine Kritiker.

Die Vorwürfe, er sei ein „bekennender Antisemit“, sind aus wissenschaftlicher Sicht völlig unbegründet. Ich beschäftige mich seit gut 40 Jahren mit Jahn und habe in seinen Schriften keine dementsprechenden Sätze finden können. Selbst im neuen „Handbuch des Antisemitismus“ wird eine derartig unsinnige Behauptung über Jahn nicht aufgestellt.

Auch der Deutsche Turner-Bund (DTB) fordert in einem Brief an Berlins Sportsenator Andreas Geisel (SPD) eine Beibehaltung des Namens. Der DTB beruft sich dabei auf Ihre Analyse als Jahn-Experten. Woher rühren Ihrer Ansicht nach die Antisemiten-Vorwürfe gegen den „Turnvater“?

Es geht um einen Spruch, den Jahn 1815 ins Fremdenbuch der Wartburg eingetragen hat: „Wälsche und wendische Helfer bringen uns immer tiefer ins Verderben.“ Damit meint er Franzosen und Russen. Daraus machten antisemitische Turner in Österreich: „Die fremden Helfer…“ – und meinten die Juden. Diese Fälschung ist die Geburtsurkunde dafür, Jahn als antisemitischen Kronzeugen zu benutzen. Auch die Nationalsozialisten nutzten dies, um ihn zum Antisemiten hochzustilisieren.

Es gibt noch ein umstrittenes Jahn-Zitat: „Polen, Franzosen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück.“

Auch das ist gefälscht. Die Politologin Eleonore Sterling schob es 1956 in ihrem Buch Jahn zu, dabei stammt es zur Hälfte von Heinrich von Treitschke. Bis heute wird diese Fälschung massenhaft wiederholt und verbreitet. Natürlich ist Jahn nicht sakrosankt, ich sehe einiges kritisch an ihm. Er hatte eine derbe, kernige Sprache und hat manche dummen Sachen geschrieben. Er war frankophob und hat Napoleon gehasst wie nichts Anderes.

Sollte man Jahns Wirken etwa durch eine Informationstafel kritisch reflektieren?

Jahn und der Jahn-Sportpark werden in der zukünftigen Dauerausstellung des Sportmuseum Berlin Thema sein. Ob es nötig oder möglich ist, in Pankow zusätzliche Aktivitäten zu entfalten, wird in der weiteren Bauplanung des neuen „Jahn-Stadions“ zu entscheiden sein.

Wäre es nicht einfacher, das Thema durch eine Umbenennung zu beenden?

Keine historische Persönlichkeit kann solch moralisierte Ansprüche erfüllen. Da müssten wir alle, die vor der bundesdeutschen Demokratie gelebt haben, von den Straßenschildern abrasieren. Wir müssten die Karl-Marx-Allee umbenennen, auch nach Luther dürfte nichts mehr heißen. Das kann nicht das Ziel sein – unser Ziel ist Aufklärung. Das beinhaltet, dass man auch unliebsame Aussprüche historischer Personen aushalten muss.

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