Berlin: Streit um den Tränenpalast
CDU will das Baudenkmal zur zentralen Stätte der Erinnerung an die Mauer machen. Der Senat bevorzugt die Bernauer Straße
Der Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße soll „die zentrale Stätte“ im Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer werden. Das fordert Michael Braun, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, und will einen entsprechenden Antrag ins Abgeordnetenhaus einbringen. Es gehe darum, „an diesem authentischen Ort zu zeigen, wie die Mauer von der DDR als Terror- und Machtinstrument eingesetzt wurde“, sagt Braun.
Der Tränenpalast war während der Teilung Deutschlands ein Grenzübergang für DDR-Besucher aus dem Westen und für „Dienstreisende“ aus dem Osten. Das Gebäude ist zwar bereits Teil des bestehenden Gesamtkonzeptes, das unter Federführung des früheren Kultursenators Thomas Flierl erarbeitet wurde, war darin aber nur eine unter vielen Gedenkstätten. Die CDU will den Tränenpalast nun aber zum zentralen Ort der Erinnerung an die deutsche Teilung machen.
Brauns Vorstoß stößt bei der Senatsverwaltung für Kultur auf Unverständnis: „Das widerspricht nicht nur der bestehenden Konzeption, sondern auch der Beschlusslage von Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus“, sagt Torsten Wöhlert, Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur. Beide Parlamente hätten die Bernauer Straße als den zentralen Ort des Gedenkens bestimmt – in Berlin im Übrigen auch mit den Stimmen der CDU. Der Erwerb von Grundstücken habe dort bereits begonnen. Auch die Rolle des Tränenpalasts im Zusammenspiel der verschiedenen Gedenkstätten sei klar: Er soll mit „zeitgeschichtlichen Themen bespielt werden“, so Wöhlert. Zuständig dafür sei das Haus der Geschichte in Bonn.
Der Eigentümer des Tränenpalasts sowie der Grundstücke rund um das Baudenkmal bestätigte auf Anfrage, dass Gespräche mit dem Bonner Haus der Geschichte geführt werden. „Eine Nutzung des Gebäudes ist aber nicht vor 2009 möglich“, sagt Harm Müller-Spreer. Der Hamburger Entwickler hat zwar bereits mit dem Bau des angrenzenden „SpreeDreiecks“ begonnen. Erst nach Fertigstellung dieses Büro- und Geschäftshauses Ende 2008 erfolge die Sanierung des Tränenpalasts.
Müller-Spreer bestätigt die Angaben der Senatsverwaltung für Kultur, dass der Kaufvertrag über den Tränenpalast die Erhaltung des Baudenkmals sowie „eine kulturelle Nutzung“ der Fläche vorsieht. Eine Einbindung des Altbaus in das Gedenkstättenkonzept „kann ich mir vorstellen“, sagt Müller-Spreer. Der Bauherr macht allerdings aus seinen finanziellen Interessen keinen Hehl: „Auch die Mieten für kulturelle Nutzungen unterliegen dem Markt“, sagt er. Soll heißen: Der Betreiber einer Gedenkstätte wird ähnlich hohe Mieten zahlen müssen wie ein interessierter Kabarett- oder Theaterimpresario.
Die Finanzierung der Berliner Gedenkstätten übernimmt der Bund zu maximal 50 Prozent, das Land Berlin kommt für die verbleibenden Kosten auf. Bis 2011 soll das Gesamtkonzept umgesetzt sein, und dafür veranschlagen die Verantwortlichen gegenwärtig 38 Millionen Euro. Für den Erwerb von Grundstücken zwischen Bernauer Straße und Nordbahnhof sind 13 Millionen Euro eingeplant.
Während die Nutzung des Tränenpalasts noch umstritten ist, sind bereits drei Viertel aller Büroflächen in dem Neubau des Architekten Mark Braun vergeben. Die Unternehmensberatung Ernst & Young sowie eine Rechtsanwaltskanzlei haben laut Müller-Spreer Verträge unterzeichnet. Mieter für die Ladenflächen im Erdgeschoss werden noch gesucht. Insgesamt sollen 40 000 Quadratmeter Nutzfläche in dem gläsernen Hochhaus neben dem Bahnhof entstehen.