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Eine geflüchtete Familie aus Afghanistan wartet im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten auf den Beginn der Bearbeitung des Asylverfahrens.

© dpa/Kay Nietfeld

Exklusiv

Streit ums Präsidenten-Amt: Berliner Sozialverwaltung droht Mitarbeitern des Flüchtlingsamtes

Weil detaillierte Informationen zu einem laufenden Bewerbungsverfahren öffentlich wurden, verhängt die Sozialverwaltung einen Maulkorb. Der wiederum ist löchrig.

Stand:

Im chronisch überlasteten Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) spitzt sich der Streit um die Besetzung des Präsidentenpostens weiter zu. Nachdem rbb und Tagesspiegel über den Vorwurf der politischen Einflussnahme auf das aktuell laufende Auswahlverfahren berichtet hatten, wandte sich Sozial-Staatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) am vergangenen Freitag in einer Mail an die mehr als 500 Mitarbeitenden der Behörde. Diese liegt dem Tagesspiegel vor.

Bozkurt warnt die Mitarbeitenden darin explizit vor der Informationsweitergabe an Dritte und droht bei Verstößen mit schwerwiegenden Folgen. „Solche Machenschaften werden niemals ihr Ziel erreichen“, erklärte Bozkurt. Er warf denjenigen, die den Vorgang publik gemacht hatten vor, das Verfahren, das Amt sowie die persönliche und berufliche Integrität des im Zentrum des Streits stehenden kommissarischen LAF-Präsidenten Mark Seibert zu beschädigen.

Solche Machenschaften werden niemals ihr Ziel erreichen.

Aziz Bozkurt, Sozial-Staatssekretär (SPD) über den Streit um den Chef des Landesamts für Flüchlingsangelegenheiten

„Aber der Kreis der Eingeweihten ist sehr klein und wenn ans Licht kommt, wer diese vertraulichen Informationen weitergegeben hat, wird das ernsthafte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen“, drohte Bozkurt. Der 42-Jährige war vor der kommissarischen Berufung Seiberts im Januar selbst fünf Monate lang kommissarischer Präsident des LAF und an der Auswahl seines Nachfolgers beteiligt.

Mark Seibert, Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und Aziz Bozkurt (SPD, rechts).

© dpa/Sebastian Gollnow

Anlass des Schreibens sind Vorwürfe, die Hausleitung und in Persona Bozkurt würden die Bewerbung Seiberts auf den Posten des LAF-Präsidenten gegenüber besser qualifizierten Bewerbern bevorzugen. So erfülle Seibert – anders als andere Bewerber – die formellen Voraussetzungen für die Stelle nicht, sei aber dennoch zum Bewerbungsverfahren zugelassen worden. Konkret fehlt ihm der vorausgesetzte Hochschulabschluss. Tagesspiegel-Informationen zufolge war bereits die für eine erste Sichtung der Bewerbungsunterlagen zuständige Fachabteilung der Sozialverwaltung zu diesem Schluss gekommen – der lediglich mit einem Bachelor-Abschluss ausgestattete Seibert schaffte es dennoch ins Auswahlverfahren.

Eine Formulierung in der Mail Bozkurts legt nahe, dass der an der Personalauswahl beteiligte Staatssekretär bereit ist, auch künftig darüber hinwegzusehen. „Um die Qualität ihrer Arbeit zu beurteilen, benötige ich keine formalen Nachweise“, schrieb dieser an die Mitarbeitenden.

Übersetzt bedeutet das: Der seit vielen Jahren im LAF aktive Seibert könnte den Posten bekommen, auch wenn er die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt. Konkurrentenklagen wären für diesen Fall allerdings wahrscheinlich und aussichtsreich. Schließlich handelt es sich bei dem mit mehr als 9.000 Euro Monatsgehalt dotierten Posten um eine attraktive Stelle, deren Voraussetzungen klar definiert sind. Seibert erfüllt diese im zentralen Punkt des vorgeschriebenen Hochschulabschlusses nicht, was Bozkurt in seinem Schreiben weder thematisiert noch bestreitet.  

Wenig wirkungsvoll wirken Bozkurts Disziplinierungsversuche in Richtung Belegschaft. Ein ebenfalls internes Schreiben, in dem die Mitarbeitenden dazu aufgerufen werden, sich mit Seibert zu solidarisieren und dessen Bewerbung zu stützen, landete prompt beim Tagesspiegel. Seibert sei ein „ausgezeichneter Behördenleiter, hinter dem wir voll und ganz stehen und mit dem wir überaus gerne zusammenarbeiten“, heißt es darin.  

Unklar ist, wer die Unterstützungskampagne für den seit 2020 im LAF arbeitenden Seibert ins Leben gerufen hat. Dem für sein robustes Vorgehen bekannten LAF-Sprecher Sascha Langenbach wird hausintern nachgesagt, die Mail verfasst und in „Einzelgesprächen“ bei Mitarbeitenden verschiedener Abteilungen für die Unterzeichnung der Solidaritätsadresse an Seibert geworben zu haben. Langenbach wies das auf Nachfrage zurück und erklärte, die Initiative stamme aus der Belegschaft des LAF. „Ich habe die Liste unterschrieben“, bestätigte Langenbach.

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