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Nach Feierabend wird’s auch in Berlin gefährlich: Studie analysiert Unfälle mit E-Scootern
Es passiert meist am Wochenende, endet mit Kopfverletzungen – und oft ist Alkohol im Spiel. Das zeigen Zahlen auch aus dem Unfallkrankenhaus Berlin. Doch auch die Roller haben Mängel, sagt ein Unfallforscher.
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Jeden Tag verunglücken in Berlin durchschnittlich zwei und in ganz Deutschland 30 Menschen mit E-Scootern, wobei die Zahlen seit Jahren steigen. Die Unfallforschung der Björn-Steiger-Stiftung hat mit von Daten der Polizei und aus der Notaufnahme des Unfallkrankenhauses Berlin (UKB) untersucht, wann und warum es besonders häufig kracht, wer die typischen Fahrer sind und welche Verletzungen sie erleiden.
Fast jeder zweite Unfall, bei dem ein E-Scooter-Pilot schwer oder gar tödlich verletzt wurde, passierte demnach ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer. Und bei 43 Prozent dieser Unfälle stellte die Polizei Alkoholeinfluss als Hauptursache fest. Als zweithäufigste Ursache folgten mit 32 Prozent Kollisionen mit Hindernissen wie Bordsteinen, Pollern oder Verkehrszeichen. Andere Probleme wie Glätte, Splitt oder Fahrfehler wie zu starkes Abbremsen spielten wesentlich seltener eine Rolle.
Oft stoßen Abbieger mit E-Scootern in falscher Richtung zusammen
Zum Alkoholproblem passt die zeitliche Verteilung der Unfälle. Mehr als die Hälfte passierten freitags bis sonntags und zwischen 18 und 6 Uhr. Bei den Kollisionen, in die auch andere Verkehrsteilnehmer involviert waren, spielte Alkohol keine große Rolle. Hier dominierten Vorfahrtverstöße, Missachtung roter Ampeln sowie Abbiegefehler von Autofahrern. Bei Letzteren war allerdings in mehr als jedem dritten Fall der E-Scooter-Fahrer in der falschen Richtung unterwegs, was die Crashs oft begünstigt.
Fast zwei Drittel der bundesweit Verunglückten waren Männer und mehr als drei Viertel waren unter 35 Jahre alt. Diese Altersstruktur unterscheidet sich völlig von der bei Fahrrad-Unfällen, an denen laut Statistischem Bundesamt mehrheitlich Ältere beteiligt sind. Laut der Auswertung der Björn-Steiger-Stiftung hätten rund fünf Prozent der Verunglückten gar nicht mit den Scootern fahren dürfen, weil sie noch keine 14 Jahre alt waren.
322 Patienten, die zwischen Mitte 2019 und Ende 2024 in der Notaufnahme des Unfallkrankenhauses in Berlin-Marzahn versorgt wurden, konnten anhand von Vermerken im Computersystem als verunglückte E-Scooter-Fahrer (der Anteil verbotener Mitfahrer ist marginal) identifiziert werden. Ungefähr die Hälfte von ihnen hatte sich am Kopf oder im Gesicht verletzt, wobei schwere Kopfverletzungen nur etwa zwei Prozent der Fälle ausmachten. Etwa 40 Prozent der Patienten hatten sich an den Armen oder Händen verletzt, 30 Prozent an Beinen oder Füßen. Etwa jeder vierte hatte Brüche an den Extremitäten. Rückenverletzungen waren vergleichsweise selten.
Die kleinen Räder sind gefährlich
Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung der Björn-Steiger-Stiftung leitet, hält angesichts der großen Zahl von Alleinunfällen durch Kontrollverlust, größere Räder fürs effektivste Mittel für mehr Sicherheit: „Bei den üblichen Acht-Zoll-Rädern bringen selbst kleine Hindernisse so große Probleme, dass kleinste Unaufmerksamkeiten zu schweren Stürzen führen“, sagt er. Die Mini-Räder hätten gar nicht erst zugelassen werden dürfen, sagt Brockmann und fordert die Vermieter auf, künftig nur noch Roller mit größeren Rädern zu beschaffen.
Ein anderer Kritikpunkt ist für Brockmann die Altersgrenze: Bisher ist Scooter fahren ab 14 Jahren erlaubt – und das ohne jeden Nachweis von Kenntnissen der Straßenverkehrsordnung. Es müsse mindestens eine Mofa-Prüfbescheinigung oder ein Mopedführerschein AM verlangt werden, meint er. Damit erhöhe sich die Altersbegrenzung automatisch auf 15 Jahre.
Für die Forderung nach einer Helmpflicht sieht der Experte angesichts der ganz überwiegend nur leichten Kopfverletzungen keinen Anlass – zumal in den meisten Fällen das Gesicht betroffen war, das durch einen Helm kaum geschützt würde. Dem offenkundigen Alkoholproblem sei am ehesten mit verstärkten Kontrollen beizukommen, bei denen die Polizei auch auf die „relative Fahruntüchtigkeit“ achten müsse, die schon bei 0,3 Promille beginnt, sobald man einen Fahrfehler macht. Und ganz wichtig sei, dass die EU-Kommission das zulässige Maximaltempo der Scooter nicht von 20 auf 25 Kilometer pro Stunde erhöhe, wie es für E-Bikes gilt: Simulationen hätten gezeigt, dass sich dadurch gerade im Kopfbereich die Aufprallkräfte kritisch erhöhen würden. (mit dpa)
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