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© dpa/Britta Pedersen

Teures und chaotisches Ende des 29-Euro-Tickets: Das Schlafwandeln von Schwarz-Rot müssen die Berliner ausbaden

Der Senat spendiert Abonnenten statt dem 29-Euro-Ticket das Deutschlandticket und belastet den Haushalt damit erneut. All das wäre vermeidbar gewesen, hätten CDU und SPD nicht die Augen verschlossen.

Christian Latz
Ein Kommentar von Christian Latz

Stand:

Die Tage des 29-Euro-Tickets in Berlin sind gezählt. Kurz vor dem Ende zeigt sich nun auf treffendste Weise erneut, wie wenig vorausschauend die schwarz-rote Koalition bei dem Ticket gehandelt hat und in welch missliche Lage sich mit dem Tarifangebot ohne Not manövriert.

Während fast alle davon ausgingen, dass das Abo nach dem in den Haushaltskürzungen beschlossenen Aus für das 29-Euro-Ticket nun schnellstmöglich ersatzlos gestrichen wird, wartete die Senatsverkehrsverwaltung am Freitag erneut mit einer unerwarteten Wendung auf. Statt das Abo einfach einzustellen, sollen die bisherigen Abonnenten fortan das bundesweit im Nahverkehr gültige Deutschlandticket bekommen – und trotzdem weiterhin nur 29 Euro dafür zahlen.

Für die Abonnenten ist das ein hervorragender Deal. Sie müssten für das Deutschlandticket sonst ab Januar 58 Euro pro Monat bezahlen. Das überhastete Aus für das 29-Euro-Ticket und die Wirren um ihr Abo bekommen sie so mehr als ausreichend entschädigt.

Bis Juni dürften Kosten für das Land von mehr als 46 Millionen Euro anfallen

Ärgerlich ist das ganze hingegen für alle Berliner, die sich zuvor für das Deutschlandticket und gegen das Berlin-Abo entschieden haben. Und jetzt für die gleiche Leistung das Doppelte bezahlen, sofern sie kein Jobticket besitzen. Mancher von ihnen dürfte sich in seinem Gerechtigkeitsempfinden durch die Entscheidung des Senats gekränkt fühlen.

Dabei ist der Schaden für Berlin und seine Bürger noch viel größer. Allein bis Ende Juni 2025 dürften durch die nun vom Senat gewählte Lösung Kosten für das Land von mehr als 46 Millionen Euro anfallen – mindestens. Auch im zweiten Halbjahr wird Berlin nochmal einen zweistelligen Millionenbetrag für den Zuschuss an die Nutzer beisteuern müssen.

All das ist Geld, das Berlin gerade eigentlich nicht hat. An vielen Stellen musste Schwarz-Rot im Haushalt schmerzhafte Kürzungen vornehmen, ob in der Kultur, im Sozialen oder beim Umwelt- und Naturschutz.

Warum verprasst der Senat seine raren Mittel auf diese Weise?

Die Betroffenen dürften sich zurecht fragen, warum ihnen die Mittel gestrichen werden, Menschen ihren Job verlieren und der Senat zugleich auf diese Weise seine raren Mittel verprasst. Mehr noch: Diese dutzenden Millionen an Ausgaben sind im Haushalt bislang nirgendwo eingeplant.

Die Koalition hat den Etat für das 29-Euro-Ticket im Haushalt für 2025 von 300 Millionen auf 0 Euro reduziert. So als würden sich die Abos plötzlich und auf wundersame Weise in Luft auflösen. Nun bedeutet das: Die etlichen Millionen an Kosten im kommenden Jahr müssen nun wohl noch zusätzlich an anderer Stelle eingespart werden.

Rückblickend scheint es vor diesem Hintergrund nahezu unfassbar, dass das 29-Euro-Ticket überhaupt jemals eingeführt wurde. Auf welche Schieflage im Haushalt Berlin zusteuert, war längst klar, als das Ticket kam. Die SPD hat dennoch darauf gedrungen, die CDU beide Augen zugedrückt. So als hätte es die finanzpolitischen Realitäten nicht gegeben.

Nicht nur in diesem Moment schlafwandelte Schwarz-Rot. Denn auch als das Ticket schon da war, hielten die Debatten darüber an, ob es angesichts der Haushaltslage nicht 2025 wieder eingestellt werden sollten.

Gerade für die CDU war das schon lange das erklärte Ziel. Doch statt sich rechtzeitig Gedanken darüber zu machen, wie und wann das Abonnement beendet werden könnte, lief der Senat vollkommen unvorbereitet in diese Situation hinein.

Plötzlich war das lange erwartete Ende des 29-Euro-Tickets beschlossen, doch kein Plan existierte, wie es umgesetzt werden könnte. Zeit dafür wäre gewesen. Insbesondere Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) und ihre Verwaltung haben sie nicht genutzt.

Dass das Ticket nun doch noch in so hohem Maße auch 2025 den Haushalt belasten wird, liegt aber auch am generellen Zeitmanagement der Koalition. Ein Jahr hatten CDU und SPD Zeit, sich auf Kürzungen für 2025 zu verständigen. Am Ende fiel die Entscheidung nur wenige Wochen vor dem Jahresende.

Vieles hätte der Senat im Fall des 29-Euro-Tickets vermeiden können. Hat er jedoch nicht. Als Berliner kann man nur hoffen, dass es den Verantwortlichen zumindest eine Lehre sein wird.

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