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Für viele Behörden inzwischen ein wahrer Akt: die Beantwortung parlamentarischer Anfragen.

© picture alliance/dpa

Die Anfrageflut an den Berliner Senat: Transparenz muss dringend besser organisiert werden

Berlins Verwaltung ächzt unter den Anfragen der Abgeordneten. Transparenz ist wichtig, das System aber ineffizient. Es muss reformiert werden. Ein Kommentar.

Julius Betschka
Ein Kommentar von Julius Betschka

Stand:

Das Parlament kontrolliert die Regierung. Das ist eine der Grundregeln parlamentarischer Demokratie. Dazu haben Volksvertreter ein besonders geschütztes nahezu unbegrenztes Fragerecht. Es soll Transparenz schaffen, wo die Regierung etwas im Unklaren lässt oder lassen will.

Dieses Grundrecht – das in ähnlichem Maß auch für die Presse gilt – darf nicht eingeschränkt werden. Davon, wie gut diese Kontrolle organisiert ist, hängt allerdings ab wie effektiv sie wirklich ist.

Fragen kann man sich schon, warum Berliner Abgeordnete im Schnitt in der vergangenen Legislaturperiode fünfmal so viele Anfragen stellten wie Bundestagsabgeordnete. Oder warum sich die Zahl parlamentarischer Anfragen an den Senat seit 2011 mehr als verdreifacht hat. Warum durch die vorgeschriebene Drei-Wochen-Frist Anfragen zwar schnell, aber oft unvollständig vom Senat beantwortet werden und kaum verwertbar sind.

Wie sinnvoll also werden Ressourcen in Parlament und Regierung eingesetzt? Verwaltungsmitarbeiter bis hinauf auf Staatssekretärsebene beschweren sich, dass die Anfragen der Parlamentarier sie von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten.

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Die Abgeordneten entgegnen, sie würden ohne die Nachfragen kaum informiert. Dass die Anfragen mitunter, nicht nur in Berlin, von der Opposition absichtlich genutzt werden, um Referate lahmzulegen, ist so falsch wie manche herablassenden Antworten. Die Verwaltungen haben den Parlamentariern so gut es geht zu antworten – und nicht nach Lust und Laune.

Das System ist ineffizient, das sehen alle Seiten so. Deshalb ist es gut, dass der Präsident des Abgeordnetenhauses, Dennis Buchner (SPD), die Prozesse schlanker und digitaler gestalten will. Und dass er zudem an die Abgeordneten appelliert, doppelte und dreifache Fragen zu vermeiden. Es zeigt, dass das Problem auch im Parlament ernst genommen wird.

Mehr Zeit zum Antworten

Drei Gründe für das starke Wachstum sind der Wandel zum Vollzeitparlament, die Abschaffung sogenannter großer Anfragen der Fraktionen im Jahr 2014 und der, nüchtern ausgedrückt, eher zurückhaltende Umgang einiger Senatsverwaltungen mit Daten. Doch es ist keine Lösung, immer mehr Anfragen rauszuschicken.

Ändern könnte man, dass die Verwaltung künftig mehr als drei Wochen Zeit für – dann auch – qualitätsvolle Antworten hätte. Den Verwaltungen wäre zudem die häufige Ausrede „nicht schaffbar“ genommen.

Die Abschaffung der großen Anfragen vor acht Jahren sollte das Parlament spannender machen. Den Fraktionen hat das die Möglichkeit strategischer Schwerpunktsetzung genommen, die in anderen Ländern über große Anfragen läuft.

Dabei ist für eine Regierung nur eines unangenehmer als Kontrolle: gut organisierte Kontrolle.

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