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Karlsruhe stellt klar: Die Berliner Wiederholungswahl ist gültig
Gegen die Wiederholungswahl in Berlin hatten mehrere Abgeordnete Beschwerde eingelegt. Ende Januar lehnte das Gericht einen entsprechenden Eilantrag ab. Nun liegt die Begründung vor.
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Das Bundesverfassungsgericht ist nicht für die Überprüfung zuständig, ob die Wiederholungswahl in Berlin rechtmäßig war. Die Richterinnen und Richter erklärten nun ausführlich, warum sie einen Eilantrag gegen die Durchführung der Wahlwiederholung Anfang des Jahres abgelehnt hatten. Der Begründungstext liegt dem Tagesspiegel vor. Darin führen die Richterinnen und Richter aus, dass das Grundgesetz den Ländern eigenständige Verfassungsbereiche gewährt, die auch das Wahlrecht umfassen.
„Es obliegt ihnen, den subjektiven Schutz des Wahlrechts zu ihren Volksvertretungen abschließend zu regeln und durch ihre Gerichtsbarkeit zu gewährleisten“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts. Daraus ergebe sich eine grundsätzliche „Unantastbarkeit von Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte über Fragen, die allein dem Verfassungsraum der Länder zuzuordnen sind“.
Berliner Politiker:innen hatten Verfassungsbeschwerde eingereicht
Das Berliner Landesverfassungsgericht hatte Mitte November 2022 entschieden, dass die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im Jahr 2021 aufgrund massiver Wahlrechtsverstöße komplett wiederholt werden müssen. Dagegen hatten 43 betroffene Berliner Politiker:innen Mitte Dezember Verfassungsbeschwerde eingereicht. Im Kern sollten die Karlsruher Richter prüfen, ob der Berliner Landesgerichtshof die Wahlen zu Unrecht für irregulär erklärt hatte.
Ein entsprechender Eilantrag wurde am 31. Januar 2023 vom Bundesverfassungsgericht ohne Begründung abgelehnt. Die Wiederholungswahl fand am 12. Februar statt. In ihrer nun vorliegenden Begründung der Ablehnung verweisen die Richterinnen und Richter auf Artikel 28 im Grundgesetz.
Dieser regelt, dass die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern „den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.“ Jurist:innen bezeichnen dies als Homogenitätsgebot. Bei der konkreten Ausgestaltung dieser Grundsätze haben die Länder jedoch Spielraum.
Das Bundesverfassungsgericht könne in diesen „eigenen Verfassungsraum des Landes“ nicht eingreifen, wenn die Länder dem Homogenitätsgebot genügen. „Dies ist im Land Berlin der Fall“, heißt in der Mitteilung des Gerichts. Eine Verletzung dieses Gebots ist erst anzunehmen, „wenn die Praxis von der Norm andauernd beziehungsweise systematisch und in einer Weise abweicht, die die Geltung der normativen Gewährleistung grundsätzlich infrage stellt“.
Damit sagen die Richterinnen und Richter nichts über die Güte des Urteils des Berliner Verfassungsgerichts. Es könne durchaus sein, dass der Verfassungsgerichtshof den Anspruch der Beschwerdeführer „auf rechtliches Gehör verletzt“ habe, wie diese argumentieren. Es fehle jedoch ein „Hinweis darauf, dass das Vorgehen des Verfassungsgerichtshofs im konkreten Fall Teil einer andauernden Praxis sein könnte (...).“
Die Grünen-Landesvorsitzenden Susanne Mertens und Philmon Ghirmai teilten auf Twitter zur Begründung des Bundesverfassungsgerichts mit: „Es ist gut, dass Berlin keine weitere Zitterpartie zu befürchten hat. Wir nehmen unsere Aufgabe einer konstruktiven & kritischen Opposition an.“
Beschwerdeführer kritisieren Karlsruher Begründung
Mehrere Beschwerdeführer gegen die Anordnung der Wiederholungswahl in Berlin haben das Bundesverfassungsgericht kritisiert. Nach Angaben der Beschwerdeführer Bertram von Boxberg (Grüne), Stefan Förster (FDP), Jan Lehmann (SPD) und Sebastian Schlüsselburg (Linke) erscheint die Argumentation des obersten deutschen Gerichts nicht überzeugend.
In dem Antrag hatten sich mehr als 40 Klägerinnen und Kläger, darunter betroffene Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Bezirksparlamente wie die vier Beschwerdeführer, gegen das Urteil des Landesverfassungsgerichts gewandt, das eine komplette Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl vom September 2021 verlangt hatte. Das Bundesverfassungsgericht verkenne das Anliegen der Beschwerdeführenden.
Es treffe nicht zu, dass diese letztlich die endgültige Verhinderung einer Wiederholungswahl als Ziel gehabt hätten. Die Beschwerdeführer hätten die Prüfung massiver Wahlfehler verlangt und dass es nur dort zu Wiederholungswahl komme, wo sich die Wahlfehler auf die Sitzverteilung im Parlament ausgewirkt hätten. Außerdem lasse das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen, ob der Berliner Verfassungsgerichtshof die Grundrechte der Beschwerdeführenden verletzt habe. „Ungeachtet der Gefahren, die sich daraus für künftige Wahlen in deutschen Bundesländern ergeben, hat sich das Bundesverfassungsgericht aus einer Prüfung von Landtagswahlen nun vollständig und endgültig verabschiedet“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
Es sei bemerkenswert, dass das Bundesverfassungsgericht auf 57 Seiten begründen müsse, dass die erhobene Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig sei. „Es hat ausdrücklich eingeräumt, dass der von ihm nun aufgestellte ‚Grundsatz der Unantastbarkeit‘ der landesrechtlichen Wahlprüfung seiner bisherigen Rechtsprechung so noch nicht zu entnehmen war.“ (mit dpa)
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