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Berlin: Überraschend schön

Einen besonderen Ort für die Mode finden? In Berlin überhaupt kein Problem.

Für Location Scouts ist die Fashion Week und die Zeit der Modemessen ein wahres Fest. Faszinierende Orte zu finden für schöne Menschen in schönen Kleidern ist in Berlin eine Kür wie kaum irgendwo sonst. Zu den inzwischen arrivierten Treffpunkten zählt das Soho House, das pflegt so einen leicht morbiden Vintage-Chic und ein Ambiente, das geprägt ist vom Gemütlichkeitsverständnis der Popkultur-Stars.

Derzeit zeigt der Burda-Verlag Lust am Spiel mit Berliner Orten. Die Zeitschrift „Elle“ feierte ihren 25. Geburtstag im Sommer in der Französischen Botschaft. Für die Nacht zum Mittwoch hatte Chefredakteurin Sabine Nedelchev diesmal zur „Nuit Privée“ in die Russische Botschaft eingeladen: „Dresscode Russian Night“. Wenn es der heimischen Wirtschaft nützt, vermieten auch andere Botschaften ihre Repräsentationsräume. Und diese Nacht sollte immerhin zu Ehren der St. Petersburger Designerin Alena Akhmadullina zelebriert werden.

Gekonnt versteht der von Berlin aus agierende Chefredakteur des „Zeitmagazins“, Christoph Amend, das Spiel mit Orten mit literarischem Potenzial. Diesmal lädt er zur Fashion Week Party in das alte Kaufhaus am Oranienplatz. Letztes Jahr war es die Hotelbar im Stue in der früheren Dänischen Botschaft. Die Bar Tausend war sein Partyort, noch bevor sie richtig hip wurde.

Tatsächlich gibt es unglaublich viele Orte, die noch Potenzial haben oder der Wiederentdeckung harren. Besonders im alten Westen. Ob das Restaurant Hugos im Interconti oder die Pan Am Lounge – früher oder später wird der Blick auf die Gedächtniskirche der Inbegriff des Retro-Chics sein. Der alte Dresdner Bahnhof „The Station“ wird auch außerhalb der Messezeit gern für Pop-up-Designer Sales genutzt. Andere Bahnhöfe wie der unterirdische am Potsdamer Platz oder das Gerichtsgebäude in der Littenstraße waren schon öfter Party- oder Präsentationsorte. Die noch im Umbau befindliche Bötzow-Brauerei wird künftig wohl auch noch mehr Modeszene anziehen.

Vogue-Chefredakteurin Christiane Arp agiert indes nur scheinbar konservativ, indem sie sich für ihre gemeinsam mit Mercedes-Benz veranstaltete Fashion Night immer wieder für das Borchardt entscheidet, jene in die Jahre gekommene Filmstarkantine. Gerade wer von Avantgarde lebt und ständig auf der Suche nach der Zukunft ist, braucht die beruhigende Wirkung von Ritualen. Unvergessen der tolle Anblick, den Christiane Arp bot, als sie einmal mitten im Berliner Schmuddelwinter als Gastgeberin in einem frühlingshaften hellblauen Blazer auftrat, ein echter Wow-Effekt zwischen all den goldglitzernden schwarzen Abendkleidern.

In diesen frühlingshaften Wintertagen hat die Fashion Week noch eine weitere höchst exklusive Location dazugewonnen: die Straßen von Mitte. Wer weiß, wann man je wieder im Januar so leicht und trockenen Fußes zu den Schauen, Showrooms und Partys kommen kann, dass der Weg schon eine Art Catwalk ist für die modischen Flaneure. Kein Matsch verdirbt die kostbaren weißen Fellstiefel, kein Schneeregen ruiniert das elfenbeinfarbene Ledercape, wehende Schals lassen über Prints und Farben staunen, weil sie gar nicht so dringend wärmen müssen wie sonst. Es scheint so, als habe das Wetter höchstselbst sich diesmal zum obersten Location Scout und Kulissenschieber ernannt. Elisabeth Binder

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